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Fakten zur Aufführung 

ISLAND ONE WAY
(Svavar Knútur)
12. Mai 2014
(Uraufführung)

Ruhrfestspiele Recklinghausen,
Maschinenhalle König Ludwig


Points of Honor                      

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Die wärmende Romantik von Basaltsteinen

Island one way? War reisetechnisch ohnehin nicht so geplant, beziehungsmäßig allerdings schon: In fünf Tagen wollten Anne und Phil das kitten, was sie in Jahren davor zerdeppert haben, und mit neu belebter Beziehung zurück kommen – wurde aber nichts. Schade.

Christian Schäfer alias Fink Kleidheu erzählt diese banale, alltägliche Geschichte von tausenden von Paaren lakonisch und ohne große Höhepunkte als unterkühlten Kurzurlaub auf der Nordatlantik-Insel Island. Jörg Zysik hat dazu ein Bühnenbild geschaffen, das in tristem Grau der Island-typischen Basaltsäulen und -steine eher Depressionen fördert als Hoffnungen trägt. Die schaumstoffleichten Basaltquader reichen zur Darstellung von Lagerstätten, Möbeln, Andeutungen von dunklem Wasser und felsigem Untergrund. In zweckmäßige Alltagskleidung der Jeansgeneration hat Julia Schröder die Protagonisten gesteckt, sie erlaubt nur Svavar Knútur, dem Prospekt-Isländer, wie ihn sich Touris vorstellen und wünschen, einige schrille Extravaganzen. Große weiße Tücher verdecken schneeähnlich manches Szenedetail.

Christian Schäfers Inszenierung bringt ein Thema markant und stark abstrahiert auf die Bühne, das den Zuschauern gut bekannt, vielen auch vertraut ist: Die langsame, aber stetige Erodierung, Abnutzung einer „alten“ Beziehung durch den banalen Alltag. Anne immerhin hat es bemerkt und ergreift die Initiative – statt Paartherapie Islandurlaub. Und Phil, der ewige Nörgler und Besserwisser, ist von Anfang an skeptisch – typisch kopfgesteuerter Mann ohne Emotionen. Und wenn er dann mal Emotionen zeigt, ist es Eifersucht gegenüber diesem prallen, in jeder Beziehung lebendigen Original-Isländer, der zudem mit seichter Gitarre den nordischen Troubadour, den Barden gibt. So ein wenig der keltische Frauenflüsterer.

Ach, und dann Island: Wenn der Isländer die Beziehungsurlauber zum Inseltrip mit dem Crossroader abholt, ist es noch dunkel, wenn er sie zurück bringt, schon wieder dunkel. Tageslicht, Sonne, Urlaubswärme? Phil kommt aus dem Nörgeln gar nicht mehr heraus. Whale watching – die Nussschale wackelt, die kalte Nordseegischt sprüht übers Boot, der Wind steht steif – kein einziger Wal in Sicht. Auch das Nordlicht haben die Isländer vergessen anzuzünden, lediglich das mit dem Sternenhimmel klappt – aber nur im Dunkeln und bei Kälte. Beim Spaziergang zum Gullfoss, dem größten Wasserfall Europas, verknickt Phil sich auch noch seinen Fuß. Nun ist er endgültig ein Pflegefall, um den sich Anne kümmern muss. Und diese pflegerische Nähe führt dann doch noch …

Christine Diensberg gibt der Anne einen zwischen starker, selbst bewusster Frau und Anlehnung suchendem Weibchen changierenden Charakter und überrascht dazu mit einem ausdrucksstarken Mezzosopran. Fabian Baumgarten spielt einen mürrischen, selbst bezogenen Phil, der es seiner Partnerin wirklich nicht leicht macht. Svavar Knútur hat mit dem Isländer eine Paraderolle, in der er mit Skurrilität, Power und Ironie brilliert. Mit seinen Songs lockert er den Abend musikalisch auf und verleiht ihm einige lyrische Akzente. In kurzen eingeblendeten TV-Spots parodiert er die ganze Breite des isländischen TV, worunter leider häufig die Verständlichkeit der gesprochenen Texte davor leidet. In einer besonders schön gesungenen Schlussballade zaubert Knútur doch noch ein wenig wärmende Stimmung auf diese kühle Atlantikinsel.

Der raue Charme der alten Maschinenhalle König Ludwig, die nur unter roten Decken aufgewärmt werden kann, gibt diesem kühlen Stück den passenden Rahmen. Ein junges Publikum bedankt sich beim Regisseur und den Darstellern für einen unterhaltsamen Abend, den die Schauspieler mit großer Spiellust servieren. Anhaltender Beifall und Trampeln. Der Isländer schaut noch einmal fast desinteressiert einem der vielen projizierten Kometen nach, die im Hintergrund ihre Bahn ziehen – für die Inselbewohner der Hoffnungsstrahl einer vielleicht doch aufgehenden Sonne, für Anne und Phil die nächste drohende Katastrophe…

Horst Dichanz







Fotos: Volker Zimmermann