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Fakten zur Aufführung 

ZAUBERBERG
(Paweł Mykietyn)
26. Juni 2015
(Uraufführung)

Malta-Festival Poznan


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Anstrengender Aufstieg zum Zauberberg

Als musikalischer Höhepunkt des 25. Malta-Festivals wird dieses Meisterwerk von einem kreativen Quartett im polnischen Poznan auf die Bühne gebracht. Wie auch die literarische Vorlage, wird diese Produktion vor allem durch seine Länge – fast drei volle Stunden – in Erinnerung bleiben. Gefühlt sind es fünf Stunden. Dennoch ein interessanter Ansatz.

Vier in Polen sehr bekannte Künstler zeichnen für Konzept und Umsetzung verantwortlich: Paweł Mykietyn für das Musikkonzept des Librettos, Małgorzata Sikorska-Miszczuk für das Libretto, Andrzej Chyra für die Regie und Mirosław Bałka für die Bühne.

Obwohl es das Malta-Festival schon seit 25 Jahren gibt, ist es wenig über die polnischen Grenzen hinaus bekannt, besonders was Oper und klassische Musik betrifft. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt eher auf Tanz und Theater, Kinder und Avantgarde-Performances – immerhin sind es dieses Jahr über 300 Aufführungen in einem Monat. Mit dem Auftrag des Zauberbergs geht das Malta-Festival neue Wege. Als Koproduktion mit der Baltischen Oper in Danzig, der Stadt Krakau, und dem Zweiten Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind zumindest einige weitere Aufführungen – wie auch Aufzeichnungen – gesichert.

Das Bühnenbild zeigt ein zweistöckiges Gebäude und dementsprechend die Möglichkeit, gleich auf mehreren Ebenen – Storyboard-ähnlich - die Gefühlsausbrüche der Protagonisten zu zeigen. Im zweiten Akt ist dann genau dieses Bühnenbild auf die Horizontale gelegt, was den Eindruck eines Labyrinths ergibt – auch das passend zum ausweglosen Schicksal der Sanatoriumspatienten.

Durch die modernen, zeitlosen Kostüme von Maciejewska hat das Regiekonzept einen zusätzlichen Weg des Ausdrucks. Hans Castorf in elegant-sportivem Dress, die Amerikanerin mit ihren roten high heels etwas extravaganter, Dr. Behrens mit einer immer paraten Spritze im legeren Ärztekittel.

Ein Sanatorium soll ja ein Ort der Genesung sein. In der Vorlage von Thomas Mann wie auch in diesem Stück ist es weit mehr. Hier konfrontiert jeder Charakter sich selbst, muss sich mit seiner Vergangenheit und Zukunft – die ja unausweichbar mit dem Tod endet – auseinandersetzen. Die Suche nach Liebe ist allgegenwärtig. Regisseur Chyra, selber Schauspieler, wählt den gemächlichen, eher statischen Weg des Ausdrucks.

Es handelt sich hier um eine komplett elektronische Musikeinspielung. Dennoch gibt der Dirigent Adam Banaszak – seitlich plaziert – die Einsätze für die Sänger, die über Verstärkung live singen. Als melodische, minimalistische Tonalität kann man den bleibenden Eindruck klassifizieren. Sowohl der erste wie auch der zweite Akt beginnen mit sekundenlangen Pausen zwischen den Akkorden. Kakophonisches Chaos – vielleicht als Zerfall der Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg – bekundet das Finale. Als Verantwortliche für den Tondesign leistet Ewa Guziołek-Tubylewicz Erstaunliches – perfekter quadrophonischer Surroundsound – wenn beispielsweise der Zug vorbei fährt, bekommt man das hautnah mit.

Das kreative Team hat einen Charakter neu hinzugedichtet: Die Tote aus Zimmer 34, eine Amerikanerin, wird nicht nur in einem Sarg auf dem Bobsled den Berg hinunterbefördert, ihr sehr lebendiger Geist bleibt und verführt Hans Castorp, der von seiner Zimmervorgängerin fasziniert ist.
Insgesamt ist die Besetzung, sowohl stimmlich wie darstellerisch, durchweg von hohem Niveau. Hervorzuheben sind Szymon Komasa für seinen fragilen Hans, Agata Zubel als handfeste Amerikanerin, die nymphomanische Claudia von Barbara Kinga Majewska, Łukasz Konieczny in der undankbaren Rolle des Dr. Behrens und der exaltierte Peeperkorn von Marcin Habela.

Durchaus konzentriert begleitet das poznische Publikum die Uraufführung und huldigt den Darstellern und dem Produktionsteam gar mit einer stehenden Ovation. Ob allerdings dieses Werk weltweit seinen Weg ins dauerhafte Repertoire finden wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Zenaida des Aubris

 







Fotos: Maciej Zakrzewski