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Fakten zur Aufführung 

L'ENFANT E LES SORTILÈGES
(Maurice Ravel)
LE ROSSIGNOL
(Igor Strawinsky)
28. Oktober 2014
(Premiere am 25. Oktober 2014)

Teatr Wielki Poznan


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Die heilende Kraft des Gesangs

Im Mai letzten Jahres sorgten der junge Regisseur und bislang vornehmlich als Choreograph hervorgetretene Ran Arthur Braun und sein kongenialer Bühnen- und Kostümbildner Justin C. Arienti im Teatr Wielki Poznan mit ihrer turbulenten wie intelligenten Inszenierung von Krysztof Meyers Science-Fiction-Oper Kyberiade für einen Überraschungserfolg. Die Gesamtaufführung wurde für den polnischen Theaterpreis Jan Kiepura 2014 als einer der zehn besten Aufführungen im Land nominiert und erhielt den ersten Preis in der Kategorie Ausstattung. Kein Wunder also, dass sich die Posener Oper umgehend das Künstlerduo für eine weitere Produktion sicherte. Sie gilt einem ambitionierten Doppelabend mit zwei märchenhaften Kurzopern: Maurice Ravels Einakter L enfant et les sortilèges , der in französischer Sprache gegeben wird, und Igor Stravinskys seltener zu sehende Le Rossignol in polnischer Übersetzung. Die stimmige Koppelung ist eine Bereicherung für den Spielplan, insbesondere für junge Operngänger und ihre Familien, die das Musiktheater für sich entdecken wollen. Denn – um es vorweg zu nehmen – dieser Abend ist ob seines überbordenden Einfallsreichtums fabelhaft gelungen.

Ein überdimensionaler Konzertflügel beherrscht die Bühne in L ’ enfant et les sortilèges. Er steht schräg, ein Bein ist abgebrochen, wohl auch Opfer der Zerstörungslust des Kindes, das in dem von Colette verfassten Libretto seinen Zorn auf die Schule am Hausrat auslässt. Im Traum erscheinen ihm die misshandelten Möbel, Geschirr und Tiere, teils überdimensional, teils in Originalgröße. In der Regie von Ran Arthur Braun sind manche Figuren verdoppelt und werden von Tänzern dargestellt, während der Gesangspart aus der Seitenloge erklingt, so wie auch der Chor im Publikum und im Rang postiert ist. So entsteht ein bezaubernder, vielgestaltiger Figurenreigen, den Braun mit einem Feuerwerk an pfiffigen Bewegungsideen über das Instrument defilieren lässt und den Justin C. Arienti hinreißend und mit Liebe zum Detail ausstaffiert hat: die als seriöser Herr gewandete Uhr, die auf Krücken gehenden Schafe, die kreisenden chinesischen Teetassen, die in bunt gestreiften Häftlingskleidern steckenden Ziffern mit Hula-Hoop-Reifen, um nur einige Beispiel zu nennen.

Stravinskys Andersen-Vertonung Le Rossignol inszeniert Braun statischer, aber nicht weniger eindringlich. Die von Marek Rydian in magisches Licht gehüllte und von Arienti mit Gazevorhängen und ein paar Accessoires ausgestattete Bühne suggeriert treffend ein märchenhaftes China. Klar verständlich und sehr poetisch erzählt Braun die Geschichte von der Nachtigall, die mit ihrem Gesang einen sterbenden Kaiser heilt. Dabei prägen sich wunderschöne Bilder ein: Wie der Fischersmann auf einem Nachen hereingleitet; wie die lebendige Nachtigall an Schnüren, teils sogar kopfüber, vom Himmel schwebt und tatsächlich wie ein zarter Vogel über die Bühne flattert, während das künstliche Äquivalent als Breakdancer auftritt; wie der Tod als übergroße Gestalt im Hintergrund erscheint; und wie sich das in gleichfarbige Kittel gekleidete Chorkollektiv zu einer Begräbnisprozession gruppiert.

In bestechender Form präsentiert sich das in allen Partien ebenbürtig besetzte Ensemble. Die teilweise in mehreren Rollen auftretenden Sänger, Tänzer und Chorsolisten sind alle ungemein spielfreudig und musikalisch bestens präpariert. Von den vielen Mitwirkenden seien hier stellvertretend Magdalena Wilczyńska-Goś als glaubwürdig jugendlich wirkendes Kind, die aus einer Seitenloge überlegen ihre Koloraturen zwitschernde Małgorzata Olejniczak-Worobiej als Nachtigall, die sich mit der grazilen Ballerina Ichiko Oguro den Part teilt und der klangschöne Tenor von Piotr Friebe als Fischer hervorgehoben. Der Dirigent Grzegorz Wierus weiß Ravels impressionistisch getönte, mit revueartigen Tanzszenen durchsetzte Partitur mit leichter Hand zu nehmen und zeigt im selben Maße Gespür für Strawinskys rhythmisch schärfere, kühnere Klangwelt, wobei ihm das Orchester in beiden Stücken souverän folgt.

In der gut besuchten dritten Vorstellung sind viele Kinder zu sehen. Es gibt immer wieder staunenden Szenenapplaus und stürmischen Beifall am Ende. Die Berliner dürfen sich übrigens freuen. Denn Braun ist als Choreograf an der internationalen Koproduktion von Richard Ayres hochgerühmter Familienoper Peter Pan beteiligt, die auch an der Komischen Oper zu sehen sein wird.

Karin Coper







Fotos: Katarzyna Zalewska