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Fakten zur Aufführung 

CAVALLERIA RUSTICANA
(Pietro Mascagni)
DER BAJAZZO
(Ruggiero Leoncavallo)
31. Januar 2015
(Premiere)

Teatr Wielki Poznan


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Abend der Debütanten

Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana und Ruggiero Leoncavallos Pagliacci sind ein fast unzertrennliches Paar, das meist gemeinsam an einem Abend gespielt wird. Selten dagegen ist es, die Inszenierung der beiden Verismo-Reißer in die Hände zweier Regieteams zu legen, wie es nun im Teatr Wielki Poznan geschieht. Für Cavalleria wurde der in Polen hoch angesehene Fotograf und Performancekünstler Leszek Mądzik engagiert, der am 5. Februar seinen 70. Geburtstag feiert, für Pagliacci der junge Krzysztof Cicheński, die damit beide ihre erste große Opernarbeit vorlegen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Gewinner ist die jüngere Generation.

Mądziks Bühnenarbeiten stehen für ein experimentelles Theater, das Wortlosigkeit und Stille, Sinnsuche und Spiritualität in kraftvolle Bilder umzusetzen sucht – anhand von Vorlagen und Texten, die während der Probenzeit weiter entwickelt werden. Diesem Prozess sind bei Mascagnis sizilianischem Bauerndrama Grenzen gesetzt, weil Musik und Libretto einen vorgegebenen Rahmen abgeben. So mag es an dem religiösen und archaischen Hintergrund der Oper gelegen haben, der Mądzik zu einer Inszenierung gereizt hat. Seinem Ansatz bleibt er in dieser Realisierung treu: eine Visualisierung ohne konkreten inhaltlichen, zeitlichen oder örtlichen Bezug, so dass die Handlung nur in groben Zügen erkennbar ist. Dabei ist die Ausstattung der Bühne, die Mądzik selbst entworfen hat, durchaus sehenswert. Sie wird seitlich von zwei Steinmauern begrenzt, im Hintergrund dreht sich, gleich einem Schicksalsrad, ein durch mehrere Wände unterteilter hoher Raum mit verschiedenen Symbolen. Mal sind es Leuchtstäbe, mal blutrote Steine, die wohl den mörderischen Ausgang assoziieren sollen. Für ein sinnliches Theatererlebnis reicht die Optik freilich nicht aus. Cavalleria rusticana steckt voller Emotionen, zeigt lebendige Menschen, die mit ihren Gefühlen kämpfen, da reicht ein szenisches Arrangement mit starken farblichen Akzenten, bei dem alle Mitwirkenden meist an der Rampe stehen, nicht aus. Passend zu dem Konzept sind die Solisten in prächtige Konzertroben gekleidet, die nichts mit einem dörflichen Milieu zu tun haben. Schon eher entsprechen die einheitlich schwarzen Chorgewänder und -uniformen den herkömmlichen Vorstellungen einer ländlichen Gemeinde.

Das gesangliche Niveau der Solisten ist durchweg hoch, doch keiner kann der oratorischen Statuarik ausreichende Gestaltungskraft entgegen setzen. Helena Zubanovich ist mit gut fokussiertem, dramatischem Mezzosopran eine stimmopulente Santuzza, der georgische Tenor George Oniani überzeugt mit heldischem, nie forcierendem Tenor als Turiddu. Die kleineren Rollen sind mit Monika Mych-Nowickas hübscher Lola, Jaromir Trafanowskis robustem Alfio und Sylwia Zlotkowskas altsatter Mamma Lucia adäquat besetzt.

Wie ausgewechselt präsentiert sich das Ensemble beim Pagliacci nach der Pause. Denn Krzysztof Cicheńskis Inszenierung ist durchdacht und im besten Sinne traditionell. Schlüssig wechselt der Regisseur zwischen realistischer Nacherzählung und theatralischem Schein. Zwei eindrückliche Momente, die sich einprägen: wie Nedda auf einem Podest, das von Messern umrandet ist, kauert, was den kommenden Eifersuchtsmord treffend versinnbildlicht; oder wie der Chor, der sowohl als kommentierendes Kollektiv als auch als Dorfbevölkerung fungiert, sich wie in einer griechischen Tragödie am Ende schwarze Kapuzen über das Gesicht zieht. Dem entspricht die Bühnengestaltung von Magda Flisowska: in dem einen Szenenbild deuten prägnante Versatzstücke mehrere Schauplätze gleichzeitig an, was der Bühne etwas Surreales verleiht, während im zweiten der heruntergekommene Theatersaal eine naturgetreue Kulisse abgibt.

George Oniani zeigt als Canio, dass er nicht nur mit heldenhaften Spitzentönen punkten, sondern einer Rolle auch darstellerisches Profil geben kann. Roma Jakubowska-Handke verleiht der Nedda Intensität und dramatische Schärfe, Michał Partyka dem Silvio nachdrückliche Baritontöne. Doch das eigentliche Ereignis des gesamten Abends ist das fast sensationelle Debüt von Andrzej Filończyk. Der erst zwanzigjährige, von Generalmusikdirektor Gabriel Chmura entdeckte Bariton, der erstmals auf einer großen Bühne steht, ist als Tonio eine vokale Offenbarung. Er verfügt über ein nobles, bei aller Jugendfrische erstaunlich ausgereiftes Timbre, ist zu kluger, natürlich strömender Phrasierung fähig und dazu ein präsenter Darsteller: ein in jeglicher Hinsicht zu größten Hoffnungen berechtigter Sänger.

Auch Chmura ist diesmal ein Debütant, dirigiert er doch erstmals das Operndoppel. In der Cavalleria hat er noch mit Ungenauigkeiten im Orchester, rhythmischen Unstimmigkeiten und wackligen Einsätzen zu kämpfen, doch bei Pagliacci entfaltet er Brio, expressive Melodik und Leidenschaft – eine wesentlich stimmigere und geschlossenere Leistung als im ersten Teil.

Bei der nahezu ausverkauften Premiere gibt es e her sparsamen Beifall für Cavalleria, großen Jubel hingegen für Pagliacci.

Karin Coper







Fotos: Marta Stawska-Puchalska