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Fakten zur Aufführung 

BETULIA LIBERATA
(Wolfgang Amadeus Mozart)
29. November 2014
(Premiere am 28. November 2014)

Friedenskirche Potsdam


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Bibeloper in der Friedenskirche

Die Potsdamer Winteroper, eine Kooperation zwischen dem Hans-Otto-Theater und der Kammerakademie Potsdam, feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Allerdings nicht in der ursprünglichen Spielstätte, dem Schlosstheater im Neuen Palais, sondern wegen der dortigen Bauarbeiten in der Friedenskirche Sanssouci. Nach der enorm erfolgreichen, letztjährigen Einstandsproduktion mit Händels Jephta wird in dieser Spielzeit erneut ein Oratorium szenisch realisiert: Betulia liberata, das einzige Werk dieses Genres von Wolfgang Amadeus Mozart, von ihm komponiert mit 15 Jahren.

Betulia liberata behandelt den biblischen Judith-Stoff. Um die Stadt Betulia vor der Belagerung des Holofernes zu retten, wagt sich die junge Witwe Judith in das Lager des Feldherrn. Nachdem sie ihn verführt hat, tötet sie ihn und befreit somit Betulia. Der dramatischen Geschichte zum Trotz bietet Mozarts Oratorium kaum Aktion. Stattdessen berichten die Solisten in umfangreichen Da-Capo-Arien, ergänzt um einige Chöre, von den Geschehnissen und ihren Gefühlen. Um der Statuarik entgegen zu wirken, bemüht sich Regisseur Jakob Peters-Messer durch Einführung eines Schauspielers um mehr Lebendigkeit und Verdeutlichung. Doch dessen Zwischentexte und pantomimische Gesten, von Michael Ihnow überspitzt dargeboten, lenken eher ab – weil die von Peters-Messer treffend arrangierten Auftritte der Israeliten und seine individuelle Führung der Solisten für Mozarts sakrale Oper im Grunde aussagekräftig genug sind. Als Bühne, auf der die meisten Aktionen stattfinden, dient ein Laufsteg in Form eines langgestreckten Dreiecks, der innerhalb des Kirchenschiffs aufgebaut ist. In dessen Mitte sitzt das Orchester mit dem Dirigenten, auf Augenhöhe mit und ganz nah am Publikum. Schade nur, dass Ausstatter Markus Meyer als Abgrenzung zur Apsis eine weiße Wand, auf die ein übergroßes Schlangengerippe gemalt ist, aufgestellt hat. Sie steht im argen Kontrast zur Architektur des Gotteshauses und wirkt dadurch erschlagend. Wie effektvoll der Raum einbezogen werden kann, wird bei Judiths Gang in das Feldlager und zurück in die Stadt sichtbar. Beide Male öffnet sich das große Eingangstor und erstrahlt in hellem Licht – ein optischer Höhepunkt.

Musikalisch dagegen ist diese Betulia liberata ein rundum gelungenes Fest. Das liegt gleichermaßen an dem vor Energie berstenden Dirigenten Antonello Manacorda, dem jungen, bemerkenswert homogenen Sängerensemble und der vital aufspielenden Potsdamer Kammerakademie. Als Judith beeindruckt Bettina Ranch mit einem pastosen Alt, der zu fließendem Legato gleichermaßen fähig ist wie zu flexibler Geläufigkeit. Im ausgedehnten Rezitativ, in dem sie von Holofernes‘ Tod berichtet, findet sie zudem zu großer Ausdrucksintensität. Robin Johannsen steuert für die Amital die helle Stimmfarbe bei: ein frischer, klarer Sopran, der den nicht unerheblichen virtuosen Anforderungen mühelos gerecht wird, aber ebenso in der innig vorgetragenen Mitleidsarie wunderschön anzuhören ist. Dem Fürsten Ozia gibt Anicio Zorzi Giustiniani mit kernigem Tenor und vokaler Stilsicherheit herrschaftliches Gewicht. István Kovács leiht seinen substanzreichen Bass dem Ammoniter Achior, der zum Christentum bekehrt wird. Marie Smolka und Silvia Hauer als Volksanführer fügen sich mit ihren ausgesprochen schönen, gut geführten Stimmen vortrefflich in das Ensemble ein.

Der Motor der Aufführung aber ist Manacorda, der alle Mitwirkenden zu Höchstleistungen anfeuert. Weil er jedem Affekt Beachtung schenkt, die Kontraste ausreizt, die Instrumentalisten zum beredten Musizieren anhält und zudem den Sängern ein mitatmender, einfühlsamer Begleiter ist, wird diese Interpretation zum beglückenden Hörerlebnis.

Großer Jubel nach der ausverkauften Vorstellung, der zweiten von insgesamt nur vier angesetzten. Für kommendes Jahr ist Alessandro Scarlattis Oratorium Cain und Abel angekündigt.

Karin Coper

Fotos: Stefan Gloede