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Fakten zur Aufführung 

MANON LESCAUT
(Giacomo Puccini)
14. September 2015
(Premiere am 22. Oktober 2014)

Mikhailovsky-Theater, St. Petersburg


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Manon bei den Sunset Motion Pictures

Keine Spur von einem unschuldigen jungen Mädchen in dieser Koproduktion zwischen der Staatsoper Berlin und dem Mikhailovsky Theater in St. Petersburg. So wird die Vorlage aus dem 18. Jahrhundert vom sehr weltgewandten Abbé Prévost in die Zeit der “Roaring Twenties” in die Traumfabrik Hollywood versetzt. Regisseur Jürgen Flimm hat aus Manon Lescaut ein von Anfang an ehrgeiziges Starlet gemacht, das zwar ein Filmstar wird, aber dann doch Opfer ihrer eigenen Gier und der Great Depression.

Geronte de Ravoir ist hier ein Hollywood-Produzent, der ein neues Gesicht für seinen nächsten Film sucht. Mit einem Marilyn-Monroe-inspirierten, weißen Kleid gelingt es Manon, die Partie zu ergattern – mit einem glamourösen Auftritt im echten, roten Cabriolet auf der Bühne. Lescaut ist der Agent, der auch schnell den Vertrag unterschreiben lässt. Des Grieux ist von Anfang an als Clown-Statist ein betrunkener Verlierer. Der eifersüchtige Produzent schmeißt Manon auf die Straße, nachdem sich herausstellt, das Manon den Schmuck einkassieren will. In dieser Produktion ist es letztendlich die gesamte Gesellschaft, die unter dem Crash von 1929 leidet. Das Filmstudio geht Pleite, und Manon findet mit ihrem glücklosen Des Grieux auf dem verlassenen Filmset ihr eigenes Ende. Der Wind verweht die Skriptblätter. Ein letzter Kameramann schiebt mühsam ein Projektionsgerät weg, bricht dann selber zusammen.  Des Grieux kommt zwar mit einem Pappbecher Wasser zurück, verschüttet es aber, als er kurz vor Manon stolpert.  Nur das trostlose Licht einer kahlen Theaterlampe bleibt am Ende an.

Den Film-Noir-Set mit Bühne in Bühne, kreiert vom Designer George Tsypin, mit effektvoller Unterstützung vom Video-Designer Robert Pflanz, lässt das Auge nicht ruhen. Ständig, wie im richtigen Leben, ist was los. Ständig ist der Zuschauer dabei, die Szenen und Charaktere zu deuten – wie passen sie zum ursprünglichen Libretto? Die Kostümbildnerin Ursula Kudrna hatte sicherlich jede Menge Spaß an der Realisierung der phantasievollen Kostümen der vielen Choristen – von der überladenen Femme Fatale, über Harvey, den Hasen, glitzernde Stripper-Girls, bis hin zu den Flüchtlingen, die in letzten Fetzen mit staubigen, abgewetzten Koffern auftreten.

Der geschmeidige Sopran von Yulia Alkseyeva wird zum Inbegriff der zielstrebigen jungen Frau, die alles unternimmt, um voran zu kommen. Mal verführerisch weich, mal verletzend scharf, letztlich verzweifelt. Fyodor Ataskevich als Des Grieux kämpft mit anfänglichen stimmlichen Unsicherheiten, entwickelt eher schauspielerische als sängerische Stärken. Anders der Bariton von Alexander Kuznetzov, der als Lescaut mit baritonaler Strahlkraft auf sich aufmerksam macht. Nikolai Kopylov als Produzent Geronte ist vollkommen glaubwürdig. Der spielfreudige Chor ebenso wie das rein russische Ensemble würden sehr von einem Sprach- und Diktionscoaching in der italienischen Sprache profitieren.

Manon Lescaut ist eine Oper der großen Gefühle mit feinen, raffinierten Orchesterfarben. Unter der Leitung von Mikhail Tatarnikov klingt das Orchester an diesem Abend aber eher wie ein weicher, ja manchmal sentimentaler Filmsoundtrack ohne Höhepunkte.

Diese Vorstellung war die Opernsaisoneröffnung des schön restaurierten Mikhailovsky-Theaters. Das sehr unterschiedlich gekleidete Publikum – von langem Kleid bis Blue Jeans war alles zu sehen – reagiert mit erstaunlich kühlem und kurzem Applaus.

Zenaida des Aubris

 

Fotos: Mikhailovsky-Theater