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Fakten zur Aufführung 

LA BOHÈME
(Giacomo Puccini)
18. September 2015
(Premiere)

Teatro Massimo Palermo


Points of Honor                      

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Junge Stimmen berühren

Ganz Palermo scheint auf den Beinen, am großen Platz vor dem mächtigen Teatro Massimo versammelt sich eine Menschenmenge, um die Eröffnung der Herbstsaison ihres weltbekannten Opernhauses zu erleben. Die Oper selbst wird zur großen Bühne. Elegant in seinen grauen Gehröcken mit burgunderroten Kragen und vergoldeten Halsketten, kontrolliert das Personal die Eintrittskarten. Auch der Präsident der italienischen Republik, der in Palermo geborene, aufgewachsene und sehr beliebte Sergio Matarella, wird der Aufführung beiwohnen und weitere Aufmerksamkeit auf Palermo und dessen traditionelles Opernhaus richten. 20 Jahre dauerte die Renovierung des 1897 erbauten, drittgrößten Opernhauses in Europa. Korruption und Einflussnahme der Mafia blockierten die Arbeiten. Dank des mutigen Engagements des damaligen Bürgermeisters Leoluca Orlando wurde es zur 100-Jahr-Feier 1997 wiedereröffnet und ist heute ein Symbol des Kampfes gegen die Mafia. Auch heute ist der mittlerweile gealterte Orlando wieder zum Bürgermeister der Stadt gewählt worden, in der Hoffnung, wiederum die Missstände zu beseitigen. An diesem Abend scheint das alles vergessen, und der rote Teppich für das elegant herausgeputzte Publikum ist ausgerollt. Selbst der Mond schaut zu und leuchtet in der Abenddämmerung über dem, wie ein griechischer Tempel anmutenden, klassizistischen Bau.

Giacomo Puccinis Oper La Bohème zählt zu den meistgespielten Opern überhaupt und ist dessen vierte Oper. Mit der Vertonung der lebensnahen Geschichte von vier verarmten Künstlern und einer zentralen Liebesgeschichte ist sie ein Meisterwerk des Verismo. Musikalisch steht sie am Wendepunkt der Romantik zur expressiven Moderne. Ohne Ouvertüre springt sie gleich ins Geschehen und begleitet pointiert die Handlung. Leitmotivisch werden Beziehungen und Charaktere der handelnden Personen musikalisch definiert. Breit ausgeführte Melodiebögen in weichen harmonischen und ansprechenden Ketten muten schon an wie die breite Unterhaltungsmusik.

Mit Arien wie Che gelida manina und Mi chiamano Mimi sind echte Opernhits dabei. Diese werden auch von Maria Agresta als Mimi und Giorgio Berrugi als Rudolfo mit viel Schmelz und gefühlter Inbrunst umgesetzt. Besonders berühren die Pianissimi von Maria Agresta, die fein gestaltet und akzentuiert gelingen. Sein Tenor klingt südlich warm eingebettet, die Treffsicherheit in der Höhe ist nicht immer gegeben. Stürmisches Ränkespiel bringen Lara Kos als Musetta und Vincenzo Taormina als Rudolfo. Ihr heller Mezzo schafft drei Oktaven, die sie auch anklingen lässt, mit wenig Konturen. Sein Bariton ist kräftig präsent und rund. Beeindruckend öffnet sich der breite, russisch anmutende Bass des jungen Italieners Gianluca Buratto als Colline, und seine Mantelarie wird zur feierlichen Anbetung.

Die Inszenierung entspricht einer sehr realistischen Darstellung. Im Bühnenbild von Francesco Zita bewegen sich die jungen Bohemiens in einer großzügigen Mansardenwohnung mit breiter Fensterfront und Blick auf die Hügel von Paris. Das Café Momus befindet sich an einem sehr belebten Platz mit Fachwerkhäusern und Straßenmarkt, den der üppig besetzte Chor belebt. Die Personenregie von Mario Pontiggia überlässt den Sängern viel Freiraum, so dass es zwischendurch auch durcheinandergeht, aber schließlich finden sich die Paare im Spiel.

Im Orchestergraben agiert Pier Giorgio Morandi behutsam mit ausgewogenem Tempo. Er lässt das Orchester klingen und die Streicher ab und an voluminös aufspielen, ohne die Sänger zu behindern. Nach einer vollendeten Sterbeszene gibt es viel Beifall und einige laute bravi für Rudolfo und Mimi.

Das Publikum zeigt sich sehr zufrieden mit den Leistungen inklusive denen des Regieteams. Zum Schluss wird der Präsident mit viel Beifall verabschiedet. L‘opera è finita, und die Welt scheint in Ordnung an diesem Abend.

Helmut Pitsch