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Fakten zur Aufführung 

MANON LESCAUT
(Giacomo Puccini)
11. Oktober 2015
(Premiere am 26. September 2015)

Oldenburgisches Staatstheater


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Lebendige Romantik

Wer daran zweifelt, dass sich romantische Opernaufführungen heute noch authentisch auf die Bühne bringen lassen, sollte sich auf den Weg nach Oldenburg machen. Nadja Stefanoff als Manon Lescaut und Paulo Ferreira in der Rolle des Chevalier Renato des Grieux zeigen, was Bühnenspannung ist. Und das alles auf einer kargen, meist betongrau gehaltenen Bühne, die Figuren in zeitgemäßer Alltagskleidung – nicht eine Perücke wallt auf den Köpfen. Die von Peter Hailer eingerichtete Inszenierung scheut sich nicht, viele Szenen in die Nähe aktueller Zeitungsbilder zu stellen, wenn er den Kutschentreff aus Frankreich in einen mit Menschenmengen verstopften Bahnhof umwandelt. Hier begegnet des Grieux der Manon Lescaut auf ihrem Weg in ein Kloster.

Erst nachdem fünf Librettisten Hand an eine Dichtung von Abbé Prevost gelegt haben, gibt Puccini sich mit dem Text zufrieden, der die unglückliche Geschichte der schönen, lebenslustigen Manon Lescaut zwischen zwei Männern erzählt. Die einfache Geschichte in der ausschweifend romantischen Vertonung Puccinis riss schon 1893 die Turiner zu Beifallsstürmen hin.

In einer klaren, eindringlichen Inszenierung zeigt Hailer die zeitlose Gültigkeit dieser in Leidenschaften getriebenen Dreieckesgeschichte. Manon, von dem armen Schlucker des Grieux heiß verehrt, fällt schließlich doch den funkelnden Verlockungen des vermögenden Steuerpächters Geronte zum Opfer. Des Grieux hat gegen Manons Bruder Lescaut und Geronte keine Chance, sie intervenieren heftig, Manons und des Grieux´ Flucht misslingt. Manon wird mit anderen Frauen von einer Soldateska eingekerkert, ihr droht die Strafkolonie. Des Grieux gelingt es schließlich, Manon zu befreien, doch von der strapaziösen Flucht völlig entkräftet, stirbt sie in seinen Armen.

Stefanoff gelingt es, mit einer sehr sparsamen Darstellung, aber berührenden Interpretation dieser schon oft gezeigten Szene eine tiefe Emotionalität und Intensität zu verleihen, die Gänsehaut verursacht. Bei einer eher kühlen darstellerischen Ausstrahlung verfügt sie über ein stimmliches Ausdrucksvermögen, das erschreckt und berührt. Ihr Partner Paulo Ferreira kann in der Rolle des Chevaliers Renato des Grieux gut mithalten, seiner umfangreichen Tenorstimme gelingen durchaus italienische Klangfarben. Ill-Hoon Choung bringt mit weichem Bass den kalten, skrupellosen Gegenpart, Daniel Moon, Bariton, als Manons Bruder Lescaut bleibt eher blass.

Überzeugend, kraftvoll und bestens präsent setzt der von Thomas Bönisch vorbereitete Chor musikalische Akzente. Vito Cristófaro lässt das Oldenburgische Staatsorchester die weichen, romantischen Melodiebögen Puccini breit ausspielen, setzt aber auch dramatische Tutti-Effekte im Wagnerschen Stil, vor allem, wenn in der Schlussszene drei wiederholte Passagen Manons Tod ankündigen.

Im kurzen vierten Akt gibt Hailer die mit einem Gitterzaun karg ausgestattete ganze Bühne frei für ein hoch emotionales, inniges Finale von Manon und des Grieux, das Puccinis Bekenntnis glauben macht: „Ich liebe die Seelen“.

Ein berührtes, begeistertes Publikum bedankt sich mit anhaltendem Beifall für eine moderne, gelungene Aufführung eines Opernklassikers.

Horst Dichanz

 

Fotos: Stephan Walzl