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Fakten zur Aufführung 

EVITA
(Andrew Lloyd Webber)
15. November 2012
(Premiere)

Oldenburgisches Staatstheater


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Schnell verloschener Glanz

Wer die rührende Geschichte vom Aschenputtel in die Politik versetzt, dann noch einen nett-wilden Revolutionär und einen fiesen Diktator hinzufügt, hat eigentlich alle Zutaten für einen spannenden, unterhaltsamen und rührenden Theaterabend beisammen.

Wenn dann Che, eine vorsichtige Erinnerung an den kubanischen Marxisten und Guerillaführer Che Guevara, den Tod der verehrten Präsidentengattin Argentiniens María Eva Duarte de Perón, genannt E vita, bekannt gibt, setzen wehmütig Trompeten und der Chor ein, der sich hebende Vorhang öffnet den Blick auf die aufgebahrte Evita, die hinter einem Regenvorhang auf dunkler Bühne inmitten einer militärischen Ehrenwache steht. Che wäre kein Revolutionär, würde er nicht diese Trauerfeier mit seinen eigenen Worten kommentieren: „Was für ein Zirkus“.

Mit einem kräftigen Lichtwechsel und leichten Tango- und Latin-Rhythmen tritt Evita in einer Rückblende zurück in ihr einfaches Leben und ihre bitter-süße Geschichte. Sie beginnt in Evas Heimatstadt, wo sie dem frühreifen Tangosänger Augustin Magaldi begegnet und mit ihm nach Buenos Aires geht. Als sie dort entdecken muss, dass Magaldi bereits eine eigene Familie besitzt, beginnen ihre Abenteuer und Affären, die nicht enden wollen. Ihr Ziel, zur besseren Gesellschaft in Buenos Aires zu gehören, verfolgt sie zielstrebig und skrupellos, die Begegnung mit dem zur Macht strebenden Oberst Juan Perón passt hervorragend in ihre Pläne. An der Seite des nun zum Präsidenten gewählten Perón wird Evita zum Idol der Massen, die sich als eine der ihren feiern lässt. Doch weder dieser Jubel noch ihre Reise zur europäischen Polit-Prominenz auf ihrer Rainbow-Tour heben ihr Ansehen in der argentinischen Gesellschaft, für die sie eine der „Descamisados“ bleibt, dem Proletariat verbunden und unwürdig der Rolle der Gattin des Präsidenten. Eine schwere Krankheit schränkt sie mehr und mehr ein, mit nur 33 Jahren stirbt sie.

Erik Petersen hat diese Politikstory mit viel romantischen Zutaten gewürzt und mit lockerer Hand als leichte Tragödie inszeniert. Eine „heilige und unvergessene Evita“ zu präsentieren, ohne die es heute „keine Michelle Obama“ gäbe, gelingt höchstens in Ansätzen. Den weitgehend entpolitisierten Che setzt er als Geschichtenerzähler ein, für den Phillip Büttner eine weich-helle Stimme und eine sympathische Ausstrahlung mitbringt.

Anna Hofbauer gibt der Evita einen staatsfraulichen, machtbewussten, aber auch äußerst zerbrechlichen Eindruck, zu der ihr klarer, häufig harter Sopran gut passt. Paul Brady singt den Juan Perón mit klangvollem Tenor, man hätte sich von ihm gern ein flexibleres Spiel gewünscht. Störend vor allem in der Schlussszene, wenn er der im Sterben liegenden Evita singend wie teilnahmslos den Rücken zuwendet. Überhaupt wirkt die gesamte Inszenierung unerwartet statisch, in vielen Szenen erzählen die Protagonisten singend die Handlung, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Da sind die Tanzeinlagen der Ballett-Compagnie eine willkommene Abwechslung, bei der auch mal Andeutungen des Tango zu sehen sind. Allerdings wirkt die letzte Einlage in der zweiten Spielhälfte mit ihren abgehackten, spröden Bewegungen deplaziert, geradezu störend.

Der Chor meistert seine musikalischen Aufgaben mit Volumen und Genauigkeit, bei den Demonstrationsszenen fehlt es ihm aber an Masse. Jürgen Grimm hält das kleine Orchester zurück, die hier eigentlich erwartete lebendige argentinische Latin-Musik bleibt sehr verhalten und brav, hier hätte man stärkere rhythmische Akzente gewünscht.

Erst in der zweiten Hälfte der Aufführung gelingen Anna Hofbauer vor allem gesanglich einige dramatische Höhepunkte, die auch szenisch gut unterstützt werden. Hierzu gehören ihre leidenschaftliche Rede zu Beginn des zweiten Aktes und die ergreifenden Szenen am und auf dem Sterbebett. Eine beeindruckende, äußerst flexible und treffsichere Beleuchtung unterstützt die Aufführung nachhaltig. Steff Flächsenhaar hat hierfür rechts und links jeweils sechs bühnenhohe Farbflächen installiert, die je nach Bedarf in unterschiedlichen, auch gemischten Farben das Bühnengeschehen effektvoll beleuchten. Bei den Kostümen hat sich Dirk Hofacker an der zeitgemäßen Mode orientiert. Das Stück gewinnt nicht unbedingt dadurch, dass es durchgängig in deutscher Sprache aufgeführt wird. Vor allem Ohrwürmer wie Don´t cry for me, Argentina klingen in der Übersetzung doch eher fremd.

Das Publikum fühlt sich gut unterhalten und bedankt sich mit ausführlichem Beifall, der vor allem Hofbauer und Brady gilt.

Horst Dichanz

 

Fotos: Karen Stuke