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Fakten zur Aufführung 

JIMI HENDRIX
- ARE YOU EXPERIENCED?

(Jürgen Sarkiss)
23. Mai 2014
(Premiere)

Theater Oberhausen, Malersaal


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Ziel verfehlt

Jimi Hendrix ist der Gott der E-Gitarre. Als James Marshall Hendrix 1942 in Seattle, Washington, geboren, hat er seinem Instrument Klänge entlockt, die man vorher so noch nicht gehört hatte. Legendär sein Auftritt 1969 in Woodstock, als das Konzert eigentlich schon beendet war. Gerade mal 25.000 von zuvor 500.000 Besuchern hielten sich noch vor der Bühne auf, als Hendrix die vielleicht berühmteste Version von Star Spangled Banner, der amerikanischen Nationalhymne, als eindeutige Absage an den amerikanischen Imperialismus spielte. Machine Gun ist bis heute das eindrucksvollste musikalische Statement gegen den Vietnam-Krieg. Und wer Jimi Hendrix sagt, ohne Hey Joe zu denken, muss in einer anderen Zeit gelebt haben. Die berühmte Musik-Zeitschrift Rolling Stone kürte ihn zum „besten Gitarristen aller Zeiten“. Am 18. September 1970 starb Hendrix mit 27 Jahren in einem Londoner Hotel. In einem guten Vierteljahrhundert hat der Musiker mehr gelebt als mancher 68-jährige Pensionär. Ein Leben voller Poesie, Wut, Entsetzen, Fantasie, Freude und Vision, Sex, Drogen und Musik.

Das letzte Wort über diesen Ausnahmemusiker, der die Rockmusik der nachfolgenden Generationen prägte, ist noch nicht gesprochen. Auch gilt es, sein Vermächtnis bei der Jugend wachzuhalten. Wie aber das auf künstlerischem Wege lösen, so dass es einem Jimi Hendrix gerecht wird? Darf etwa ein Theaterstück, das sich – auch – an Jugendliche richtet, das Leben eines Mannes als bekannt voraussetzen, der seit mehr als 40 Jahren tot ist? Macht ein solches Stück ohne inhaltliche Aussage Sinn? Oder wird es damit zur l’art pour l’art, zum Selbstzweck? Schauspieler Jürgen Sarkiss versucht es. Und scheitert an Inhalt, Handwerk und Anspruch.

Es fängt vielversprechend an. Anne Manss hat eine spannende Bühne im Malersaal, der Studiobühne des Theaters Oberhausen, eingerichtet. Die linke Hälfte nimmt ein Podest ein, das mit einem persischen Teppich belegt ist und Platz für eine dreiköpfige Band und Sänger bietet. Die rechte Hälfte ist mit durchscheinender Projektionsfolie verhängt, hinter der ein Podest zwei Schauspielern reichlich Platz bietet, sich rund 80 Minuten zu bewegen – oder eben nicht zu bewegen. Ines Koehler verzichtet auf typisierende Kostüme. Und unterstreicht damit die Beliebigkeit, die sich in der Regie von Sarkiss fortsetzt. Sind die Projektionen verlaufender Aquarellfarben zunächst noch mit den Bemerkungen über Synästhetik vereinbar und machen Sinn, wenn man denn weiß, dass Hendrix Synästhetiker war und Farben mit Klängen gleichsetzte, werden die Bilder zunehmend austauschbar. Ähnlich verhält es sich mit den Geschichtchen, Anekdoten und Andeutungen, die Elisabeth Kopp und Peter Waros in wichtigem Tonfall von sich geben. Verhandelt werden eher unbekannte Situationen, was vielleicht andeutet, dass Regisseur Sarkiss sich mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Einem Jugendlichen, der nicht einmal das Leben Hendrix‘ kennt, bietet das wenig Erhellendes. Zudem sind Entwicklungen nicht erkennbar, die eine Dramaturgie erlaubten. Das ist vor allem Kopp anzumerken, die im besten Sinn mehr möchte, als das Stück hergibt. Dem Lampenfieber der Uraufführung mag es geschuldet sein, dass vor allem Waros sich nicht wirklich textsicher zeigt. Höhepunkt schauspielerischer Handlung: Dem Publikum werden „LSD-Plättchen“ gereicht. Solche „Spotlights“ ohne jede Einordnung verpuffen erwartungsgemäß und lenken ab. Permanent werden von Beginn der Aktion an Schälchen mit dem Esspapier durch die Publikumsreihen gereicht. Das ist nicht mit Lysergsäurediethylamid beträufelt. So bleibt jede berauschende Wirkung der Aufführung aus.

Ähnlich verhält es sich mit der Musik. Sarkiss hat Stimme und Gitarre von Hendrix getrennt. Allein das irritiert. Sarkiss steht als Sänger am Mikrofon. Peter Engelhardt als musikalischer Leiter spielt die E-Gitarre. Beide sind weit davon entfernt, etwas von dem Hendrix-Zauber zu entfalten, zumal die Sängerstimme schlecht abgemischt und damit bei vielen Liedern kaum verständlich ist. Übertitel, die etwas von den Inhalten der Liedtexte vermitteln könnten, fehlen. Dass Engelhardt nicht einmal die Auftritte von Hendrix andeutet, betont den Eindruck einer Cover-Band. Daran kann das gelungene Solo von Stefan Lammert am Schlagzeug genau so wenig ändern wie der eindrucksvolle Bass von Volker Kamp. 16 Stücke werden präsentiert, darunter immerhin wichtige Titel wie Bold as love, Burning down the midnight lamp oder Machine gun. Weil aber beispielsweise zu Machine gun Vielfachprojektionen der spielenden Band gezeigt werden, verpufft auch hier ein Großteil der Wirkung. Ganz zu schweigen davon, dass Hey Joe und Star Spangled Banner unterschlagen werden. Die vom Publikum geforderte Zugabe lehnt Sarkiss grinsend mit winkendem Zeigefinger ab. Da wird es dann peinlich.

Das Theater Oberhausen unterliegt wie so viele andere Theater auch extremen Finanznöten. Das wirksamste Mittel dagegen hat Intendant Peter Carp eigentlich gefunden: Fehlendes Geld durch Grips zu ersetzen. Dieses Mal ist das nicht gelungen, und so bleibt dem Publikum der Spaß an der Live-Musik einer Cover-Band.

Michael S. Zerban







Fotos: Axel J. Scherer