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Fakten zur Aufführung 

SINGIN' IN THE RAIN
(Nacio Herb Brown, Arthur Freed)
16. März 2015
(Premiere am 14. Februar 2015)

Staatstheater Nürnberg


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Bonbonbuntes Hollywood und jede Menge Regenschirme

Das Publikum johlt, applaudiert begeistert, lacht Tränen. Und zwar für eine Nummer, die schräger kaum klingen könnte. „What`s wrong with me?“ quietscht Sophie Berner als Lina Lamont. Doch falsch ist an dem Musicalabend am Staatstheater Nürnberg gar nichts. Mit Singin`in the Rain verwandelt Regisseurin Melissa King eines der größten Filmmusicals überhaupt in eine wunderbar spaßige Bühnenversion. Und ja, es darf auf der Bühne richtig regnen – im wahrsten Sinne des Wortes übrigens aus Gießkannen.

Die meisten Theaterbesucher werden das Filmoriginal aus dem Jahr 1951 mit dem zauberhaften Gene Kelly kennen – jene Geschichte, die vom Ende der Stummfilm-Ära erzählt. Lina Lamond und Don Lockwood sind die großen Filmstars jener Zeit. Doch als der Tonfilm die Leinwände erobert, hat Lina mit ihrer quietschigen Stimme ein Problem. Schauspielerin Kathy Selden springt ein und synchronisiert heimlich. Es kommt, wie`s in Hollywood kommen muss: Don Lockwood hat sich in die reizende Kollegin längst verliebt. Alles verläuft halbwegs gut, bis das Publikum Lina live hören möchte …

Regisseurin und Choreographin Melissa King bewegt sich mit ihrer Bühnenversion nah am Film, meidet aber den zwanghaften Abklatsch. Und das ist mehr als gut. So lässt sie Gaines Hall als Don zu Singin` in the Rain ganz bewusst nicht um die berühmte Straßenlaterne steppen – Konkurrieren könnte bei der weltbekannten Vorlage sowieso nur schief gehen. Tanzszenen und Dialoge reihen sich den Abend über in rasantem Tempo aneinander. Reichlich Sprachwitz sorgt für herzhafte Lacher. Das Publikum ist bald schon um Weisheiten wie „auch kurze Menschen machen manchmal ein langes Gesicht“ reicher. In heißen Dialogen beschimpft Don Lina als „giftspuckenden Komodowaran“. Die blickt den Kollegen mit großen, naiven Augen an und tadelt ihn für derart schwierige Fremdwörter. Es wird einen Abend lang gestritten, gezickt, geküsst, gesteppt, gesungen.

Vielleicht ist die letzte Szene mit Blick aufs Regieteam die exemplarischste für die Nürnberger Musicalversion: Das Ensemble tanzt in knallgelben Regenmänteln und schwingt die Regenschirme. Dahinter steigen auf einer Leinwand noch mehr bunte Schirme in den weißblauen Himmel auf. Ja, die Szenenbilder sind den Abend über bonbonbunt und hollywood-like. Trotzdem verzichtet Bühnenbildner Knut Hetzer auf ein Übermaß an Filmrequisiten. Als Bühnenkonstante fungieren sechs hohe Palmen, die immer wieder über die Bühne rollen. Farbe bringen vor allem auch die herrlichen Kleider im 1920-er-Jahre-Stil von Kostümbildnerin Judith Peter. Zum zentralen Dreh- und Angelpunkt auf der Bühne entwickeln sich die kurzen Filmsequenzen in Schwarz-Weiß von Boris Brinkmann – gedreht übrigens vor barocker Nürnberger Kulisse. Herrlich skurril muten die überdramatisierten Stummfilmszenen heute an. Es folgen urkomische erste Vertonungsversuche. An echtem Charme gewinnen die Sequenzen schließlich, als Filipina Henoch sie mit ihrer reizenden Stimme synchronisiert.

Tatsächlich dominiert die Sopranistin gesanglich den Abend über die Bühne. Klar und voller Esprit begeistert sie mit You are my lucky Star. Und sehr ansprechend ist auch: Henoch schlüpft in die Rolle einer wesentlich frecheren Kathy Selden als in der Filmvorlage. Gaines Hall als sehr charmanter Don Lockwood überzeugt vor allem in den samtig-weich gesungenen Passagen mit Liebeserklärungen, die so manches Frauenherz zum Schmelzen brächten. Zugegeben, beim Singin` in the rain ertappt man sich dann doch und will den Vergleich zu Gene Kelly ziehen. Dafür fehlt das letzte Quäntchen – trotzdem tanzt, steppt und ersingt sich Hall den gebührenden Applaus. Der noch lässigere und vor allem spaßigere Tänzer ist Robin Poell als Cosmo Brown. Ein bisschen tolpatschig, überraschend akrobatisch und einfach knuffig macht es uneingeschränkt Spaß, ihm zuzuschauen. Und zuhören will man vor allem Sophie Berner als naiver Diva Lina Lamont – auch wenn schön anders klingt. Sie näselt, quietscht, kreischt, schmollt, gestikuliert herrlich theatral. Und sie darf nur ein Lied singen – das Publikum lacht bei der schrägen, sensationellen Nummer Tränen.

Das Ensemble sorgt für die passende klangliche und gesangliche Musical-Dekoration. Die Showgirls und -boys steppen, sie lassen Charleston-Beine fliegen und Regenschirme kreiseln. Noch dazu sind sie hübsch anzuschauen in glitzernden Minis, wehenden Abendkleidern, mit riesigen pinkfarbenen Haarschleifen oder in weißen Pelzroben.

Für die musikalische Leitung zeichnet an diesem Abend Tarmo Vaask verantwortlich. Die Staatsphilharmonie Nürnberg geht unter seinem Dirigat überaus flott und engagiert an die Ouvertüre ran. Und so vielversprechend wie der Beginn geht es weiter, das Orchester verzichtet auf ein Übermaß an Musical-Herzschmerz-Süße. Die hochmotivierten Bläser sorgen für mitreißenden Big-Band-Sound – auch wenn in manchen begleitenden Passagen ein bisschen weniger mehr wäre. Erfrischend auch die jazzige Einlage im Got to dance mit schnarrenden Bläsern und lässigem Piano.

Das Publikum ist begeistert und schenkt dem Bühnenteam immer wieder Zwischenapplaus, begleitet von herzhaftem Gelächter und mitwippenden Beinen. Die Bravo-Rufe am Ende sind verdient, denn Melissa King gelingt mit ihrem Team, was auch die großen alten Filme konnten: Sie bringt das Publikum zum Lachen, ohne platt rüber zu kommen. Sie sorgt für viele optische und klangliche Leckerbissen. Und sie präsentiert eine liebenswerte Romanze, bei der man sich gerne mit einem entspannten Seufzer zurücklehnt.

Michaela Schneider

 

Fotos: Jutta Missbach