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Fakten zur Aufführung 

JOSEPH UND SEINE BRÜDER
(John von Düffel)
4. September 2015
(Premiere)

Rheinisches Landestheater Neuss


Points of Honor                      

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Endlich erwachsen

Das Rheinische Landestheater Neuss eröffnet die neue Spielzeit gleich mit einer dreistündigen Inszenierung der Intendantin Bettina Jahnke. John von Düffel hat den Roman Joseph und seine Brüder von Thomas Mann für die Bühne bearbeitet. Über die Qualität dieser Bearbeitung darf man streiten. Auch wenn die Sprache Manns „gewaltig“ sein mag, wie es das Theater ausdrückt, wirkt sie auf der heutigen Bühne doch eher manieriert bis unfreiwillig komisch, schwer verständlich und vor allem ziemlich langatmig. Eigentlich wird ja eine recht abwechslungsreiche Geschichte nach einem biblischen Gleichnis erzählt. Der pubertär übereitle Joseph, Lieblingssohn von Jaakob, wird von seinen Brüdern, die sein Übermut reichlich annervt, gefesselt und in einen Brunnen geworfen, schließlich an reisende Händler verkauft, die ihn von Hebron nach Ägypten verschleppen. Dort verhilft ihm seine Eloquenz zu einer Sonderstellung als Sklave bei einem Höfling, schließlich beim Pharao selbst, der ihn zum Superminister erklärt. Als solcher trifft er seine Brüder wieder und schließlich auch seinen Vater, der ihm zwar die väterliche Liebe, nicht aber den Segen gibt. Joseph kann damit gut umgehen, ist er doch auf seinem Werdegang zu einem erwachsenen und denkenden Menschen gereift. Zwei Eigenschaften, die ja heutzutage durchaus nicht mehr zwingend zueinander gehören.

Jahnke steckt mit ihrer Inszenierung in der Zwickmühle. Sie möchte den Bezug zur Gegenwart herstellen. Im Grunde verbietet das aber die antiquierte Sprache. Und es fehlt ihr der Mut, zumindest die überflüssigen Monologe aufzubrechen. Trotzdem sind die Personen gut geführt. Juan León versucht, mit Kostümen und Bühnengestaltung eine Art Zeitlosigkeit zu zeigen. Das wirkt bei den Kostümen etwas beliebig, charakterisiert aber deutlich die Rollen. Die Bühne bleibt bis auf den spärlichen Einsatz von Requisiten leer, beeindruckt letztlich durch ihre Rückwand. Die besteht aus einer Vielzahl von Türen, die zwischen Sprossenwänden aufgehängt sind. So schafft León mehrere Spielebenen. Über allem thront der Musiker an seinem Arbeitsplatz.

Bleiben also die Rahmenbedingungen eher im Mittelmaß, gelingt es den Schauspielern, einen besonderen Abend zu schaffen. Allein die Choreographie der Türen zu bewältigen, ist schon eine Leistung. Ganz abgesehen von der Textmenge, die von Düffel den Akteuren auferlegt. Dafür bleibt es bei überraschend wenigen Patzern. Stefan Schleue gelingt es, sogar die Monologe noch überzeugend zu präsentieren. Er setzt die eigentliche Absicht Jahnkes um, den Mensch auf dem Weg zum Erwachsensein in seiner Entwicklung und trotz aller Widrigkeiten zu zeigen, um am Ende diesen Prozess auch glaubwürdig abzuschließen. Ziel seiner Sehnsucht, die Nähe zum Vater wiederherzustellen, wird von einem wunderbaren Joachim Berger als Jaakob antizipiert. Obwohl die Rollen von Jaakob und dem Höfling Potiphar doch sehr ähnlich angelegt sind, weiß Berger, sie in kleinen Gesten zu differenzieren und jedem einen eigenen Charakter zuzuweisen. Anna Lisa Grebe, seit dieser Spielzeit im Ensemble des Landestheaters, gefällt in der Hosenrolle des Benjamin, überrascht aber vor allem als Sängerin eines – vermutet – hebräischen Liedes mit schöner Stimme. Gern mehr davon. Ebenfalls in Doppelrollen sind Pablo Guaneme Pinilla und Juliane Pempelfort glänzend besetzt. Die älteren Brüder werden von Michael Meichßner und Richard Lingscheidt glaubwürdig verkörpert.

Deutlich unterrepräsentiert bleibt der musikalische Teil, den Henning Brand mit dem Einsatz historischer Instrumente bis zur Computertechnik vorzüglich gestaltet. Vor allem im zweiten Teil reduziert Brand den Instrumenteneinsatz mehr oder weniger auf eine Geräuschkulisse. Hier wird viel Potenzial verschenkt.

Nach drei Stunden zeigt das Publikum keine Ermüdungserscheinungen, sondern applaudiert langanhaltend. Gar Begeisterungspfiffe ertönen. Allerdings ist der Krankenstand unter den Hustern schon jetzt beängstigend hoch. Jahnke und ihrem Team ist ein passabler Einstand zur Spielzeit gelungen, die unter dem Thema Gerechtigkeit steht.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Björn Hickmann/Stage Picture