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Fakten zur Aufführung 

THE RAKE'S PROGRESS
(Igor Stravinsky)
6. Juni 2014
(Premiere am 10. Mai 2014)

Theater Münster


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Und die Moral von der Geschicht' ...

Ein großer Bilderrahmen schmückt das Bühnenportal für die letzte Musiktheaterproduktion der Saison. Vielleicht ein kleines Symbol vorab, dass Intendant Ulrich Peters Strawinksys Moraloper The Rakes’s Progress in einer Art Bilderbuch-Inszenierung auf die Bühne bringen wird. Umgeblättert wird mit Hilfe der Drehbühne, die entweder eine Projektionsfläche nach vorne dreht, oder ein Gerüst, das für Zimmer und Häuserfronten steht. Christian Floeren hat die praktische Bühne konzipiert, die um den Orchestergraben herum reicht, so dass auch die Kommunikation mit dem Publikum möglich ist. Mal stapeln sich die Requisiten in allen Ecken, mal ist die Bühne bis auf wenige Andeutungen nahezu entrümpelt. Da reicht etwas grünes Licht und ein projiziertes Strichhäuschen, um Heimat zu symbolisieren. Wird das Häuschen gedreht, sieht es so aus, als weise ein Pfeil direkt Richtung Hölle.

Die Geschichte um den Lebemann Tom Rakewell, der seinem teuflischen Ich Nick Shadow verfällt, erzählt Peters tatsächlich ganz systematisch, so dass jeder die Handlung gut verfolgen kann. Vielleicht tendiert seine Personenführung in den ruhigen Momenten etwas zum belanglosen Rampensingen, doch insgesamt ist seine Interpretation recht unterhaltsam und kurzweilig. Vor allem die großen Ensemblemomente besitzen Ausstrahlung. Auch in den sehenswerten Kostümen von Kristopher Kempf zeigt sich, dass Peters und sein Team keinesfalls auf verstaubtes Theater setzen. Barock ist sicherlich das zentrale Motiv in der Kleidung. Doch weisen viele aktuelle Stile, beispielsweise aus der Gothic-Szene, auf die Zeitlosigkeit des Stoffes hin. Farben geben eindeutige Richtungen vor: Der Chor im schmutzigen, aber neutralen Weiß, Anna Truelove im schönen Rot, Tom im männlichen Blau und der nahezu omnipräsente Shadow logischerweise im schwarzen Ledermantel. Ihm zur Seite agieren zwei Damen in dunkler Erotik, die den Teufel nach seinem Versagen in die Hölle schicken – selbst das Böse hat hier seine Kontrollmechanismen.

Die fehlen etwas in dieser Aufführung. Bühnenarbeiter stehen zu früh am Rande der Bühne oder laufen vor den Projektionen lang, so dass man deutlich ihre Schatten sieht. Auf dem Besetzungszettel sind Sänger vertauscht, und der Vorhang wartet auch einmal bis zur letzten Sekunde, um aufzugehen.

Auch musikalisch wird das Gesamtergebnis durch kleine Wackler und Ungenauigkeiten etwas getrübt. Aber wieder einmal kann man auch mit der Leistung von Sängern und Orchester durchaus zufrieden sein. Fabrizio Ventura leitet die Oper mit ihren vertrackten Harmonien und rhythmischen Tücken ganz ausgezeichnet. Das Sinfonieorchester ist mit schlankem Spiel und vielen Farben richtig mit dabei. Mal elegant schön, dann wieder schön böse – so macht Strawinsky Spaß. Elda Laro steuert – ebenfalls teuflisch gut gekleidet – am Cembalo die Zwischentöne bei und begleitet die Rezitative. The Rake’s Progress ist eine Ensembleoper, und das Theater Münster hat die richtigen Solisten dafür, aber auch den richtigen Chor, selbst wenn beim Klangkörper von Inna Batyuk nicht immer das Timing stimmt. Plamen Hidjov singt Papa Truelove ganz souverän und sicher – das nennt man fast eine Überbesetzung. Seine Tochter Anne Truelove passt Henrike Jacob stimmlich und optisch fast wie auf den Leib geschneidert. Sein herrliches Tenormaterial setzt Youn-Seong Shim als verträumter Tom Rakewell ein. Darstellerisch kann er nicht immer so überzeugen wie als wahnsinnig gewordener Verlierer. Barbara Bräckelmanns kurzer Auftritt als Mutter Goose ist absolut stimmig. Die ohnehin recht hoch gewachsene Lisa Wedekind liefert als Baba auf großen Plateauschuhen körperlich, aber auch stimmlich eine große Vorstellung ab. Phillipe Clark Hall wirft sich mit Elan in die Rolle des Sellem. Den passenden diabolischen Motor hat die Aufführung mit Gregor Dalal, der sichtlich Freude am bösen Nick Shadow hat. Sein bestens ansprechender Bass-Bariton strahlt leise Süffisanz und dunkle Kraft aus.

Leider sorgen das Pfingstwochenende und das gute Wetter dafür, dass die Hälfte des Zuschauerraumes leer bleibt. Oder vielleicht ist Strawinksy doch einfach zu speziell? Auf jeden Fall setzt The Rake’s Progress den passenden Schlusspunkt hinter eine gelungene Saison am Theater Münster, die mit großer Abwechslung und hohem Unterhaltungswert überzeugt hat. Kompliment!

Christoph Broermann

Fotos: Oliver Berg