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Fakten zur Aufführung 

DIE ZIRKUSPRINZESSIN
(Emmerich Kálmán)
19. Juli 2014
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Zirkus Krone


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Operettenzirkus

Da haben sich zwei Institutionen während der Umbauphase gefunden. Als neuer Auslagerungsort für das 2015 wohl wiederzueröffnende Staatstheater am Gärtnerplatz bot sich gerade in diesem Fall der altehrwürdige Circus Krone und sein geräumiger Winterbau an. Die Kooperation gelang, und nun kehrt das altwienerische Zirkusmärchen an seinen Handlungsort zurück, und das Manegen-Spiel kann in der Manege abgefeiert werden.

Eine kluge Idee, die naheliegt, aber einen großen Logikfehler übersieht, der auch in der oft auf Umwegen nachvollziehbaren Operettenlogik stört: Denn faktisch nichts in Kálmáns russisch-wienerischem Folklorestück spielt tatsächlich auf einer Zirkusbühne, sondern auf Empfängen, hinter der Bühne und in einem Hotel. Intendant Josef Ernst Köpplinger musste sich dazu einiges einfallen lassen, um die Idee zu einer sinnvollen Lösung zu biegen. Nach seinem fulminanten Rössl und zuletzt dem bühnenwirksamen Tschitti tschitt bäng bäng ist mit seiner Zirkusprinzessin nicht sein größter Wurf, dafür eine solide Nummernrevue geglückt.

Er nutzt sein vielseitiges Ballettensemble als Dauerclownsaufmarsch, der bereits als Vorspiel das Publikum erfreut und durchweg als spiegelnde Masse die Handlung an den Zirkus bindet. Für etwas mehr Ruhe und weniger Parallelhandlung an den Bühnenrändern dürften Clowns und Statisterie aber ruhig öfter abgehen. Doch Köpplinger setzt auf Überwältigung und Masse. Bühnenschnee fällt vom Trapez, ein roter Luftballon zieht sich durch die leichten Liebeshändel und ein unterforderter Hund ersetzt die Dompteursnummer. Dafür begeistern Artisten in den Umbaupausen und erinnern den Zuschauer daran, dass er eben nicht nur Husaren zusieht, sondern auch in einem Zirkus sitzt. Glücklicherweise nimmt sich Köpplinger mit bewährtem Schmäh das Textbuch vor, trimmt die teils drögen, angestaubten Witze und schreibt gelungene Pointen ein. Stammbühnenchef Rainer Sinell rahmt die Manege mit einer zirkustypischen doppeladlerbekränzten Passerella, die durch Schlitten, Möbel und sehr schöne Wienminiaturen für das Finalbild aufgerüscht wird. In üblicher Detaillust und handwerklicher Perfektion überzeugen die liebevoll gestalteten Clownskostüme von Marie-Luise Walek, einer Grande Dame der Ausstattungsoperette.

Damenhaft auch die Fürstin Fedora von Alexandra Reinprecht. Die Sopranistin geht kein Risiko ein und gefällt mit sehr kontrolliertem, in der Höhe dosiertem Sopran. Daniel Prohaska schüttet dagegen seine breite Tenorfülle aus und brilliert nicht nur bei den Märchenaugen; Nummern, die seinem vollmundigen Organ sehr zu Gute kommen. Der sehr junge Otto Jaus sucht die Pointe und liefert eine sehr gelungene Peter-Weck-Perfomance, stimmlich steigerbar, doch spielsicher und mit bübischem Eifer und Lausbubencharme, der begeistert. Nur das Ausrutschen auf dem Eis muss er noch üben. Daneben verliert Nadine Zeintl trotz putzig breitem Dialekt als Mabel und Liesel vor allem im Duett mit Jaus. Von der robusten Rössl-Wirtin aufgestiegen zur Schlumberger-Hotelerbin gibt Sigrid Hauser auf üblich hohem Niveau das Wiener Lied und gewinnt im Zusammenspiel mit dem gewitzten Volksopernexport Robert Mayer als Oberkellner Pelikan. Ebenso viel pointierten Charme versprühen die kongenialen Altstars Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner als knurriges Direktorenpaar. Erwähnenswert das in hohem Maße geforderte Ballettensemble, das, von Chefchoreograph Karl Alfred Schreiner nicht nur in krachledernen Zirkustänzen, sondern auch im Clownshandwerk wohl angeleitet, überzeugt.

Am Pult gastiert Karsten Januschke mit apartem Haarreif und dem ins Rondell ausgelagerten Orchester und der Salonstil verströmenden Zirkuskapelle. Er verliert sich nicht im Kálmánschen Schmalztiegel mit zuckersüßen Nummern über den Husar, verliebt das ganze Jahr und Wenn du mich verlässt, fahr ich sogleich nach Budapest, rührt aber in selbigem mit einem gut aufgelegten Orchester, das gerade zur großen Hochzeitsszene glänzen kann. An den wenigen Stellen effektvoll auftretend, überzeugt der Gärtnerchor unter Felix Schuler-Meybier.

Es bleibt eine alte Operette, deren Ressentiments und Standesdünkel leider nicht kommentiert und auch nicht persifliert werden. Gerade ein Zirkus hätte dabei der Raum sein können, um über verknöcherten Adel, Heiratspolitik und überholte russische Klischees nachzudenken. Es bleibt ein beschwingter Operettenzirkus für Freunde der sehr alten heilen Welt der zwinkernden Märchenaugen.

Andreas M. Bräu

Fotos: Thomas Dashuber