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Fakten zur Aufführung 

WIENER BLUT
(Johann Strauß)
26. November 2014
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Cuvilliès-Theater


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Geschichten aus der Wiener Konserve

Das Gärtnerplatztheater ist zur österreichischen Exilkommune geworden, auf der Autobahn nach Wien kreuzen die Künstler, die in München Dialekt und Gesang mit Rössl, Zirkus und nun dem Wiener Blut ertönen lassen. Die Austria-Intendanz versteht sich offensichtlich als kooperierender Europäer über die Tiroler Alpengrenze hinweg. Nun wird das alte Kletzenbrot nach Musik von Johann Strauß und aufgewärmt aus alten Motiven im Cuvilliéstheater gegeben; angestaubt mit viel Puderzucker. Die Reißbrettkomödie nach dem Fledermaus-Schema: Hausakt, Ballakt, Gefängnis respektiveWeindorfakt kopiert sich deutlich selbst, nur das der Froschvater hier gleich im ersten Akt angedudelt ran darf. Dazu kopiert das hausbekannte Bühnenteam aus Judith Leikauf und Karl Fehringer auch gleich das bayerische Rokokowappen samt in der Inszenierung belebter Bartschattenputten aus dem Bühnenrahmen des Cuvilliés-Theaters und österreichisiert das Residenzjuwel in den ersten Bezirk. Eine drehbare Säulenskulptur bietet zweierlei Stelldichein, die so kitschig aus zu viel Wolke, Gold und Klassizismus besteht, dass es schon wieder wirkt. Zudem legt sich das Gärtnerplatz-Theater eine beachtliche Sammlung von Minitaturen touristischer Sehenswürdigkeiten, diesmal unter anderem einen Lebkuchen-Stephansdom zu. Nur den Klimt-Kitsch an den Wänden hätte man sich sparen können.

Passend dazu gewandet die klassische Wiederholungstäterin Marie-Luise Walek das Ensemble samt Chor ins Ausstattungshafte der guten alten Zeit, geizt nicht mit Uniform, Ballrobe und Nostalgischem.

Ebenso verfährt die Inszenierung. Zwei verbindende „Engerl“ in Lederhose behauchen die Liebespaare, kabbeln sich und leiten das zu erwartende Happy End ein. Dazwischen etwas Slapstick, wenig Tanz, ein paar schmalzige Nummern vom Walzerkönig, und schon ist man in der überzogen traubenvergrößerten Weinlaube beim Nachtisch der Liebeleien. Regisseurin Nicole Claudia Weber hat ein paar nette Einfälle wie die sich wiederholende Puppenstube bei der Auftrittsarie der Gräfin, doch allgemein fehlt ihr die Pointenpräzision von Intendant Köpplinger, der ansonsten für die Wiener Geblüter verantwortlich zeichnet. Die musikunterlegte Boulevardkomödie geht ihr konventionell und leicht von der Hand. Die Lacher liefern das Kalauerlibretto und die betuliche Machart.

Solides an der stimmlichen Front. Die ehemaligen Gärtnerensemblemitglieder Tilmann Unger und Ella Tyrann geben das Zankpaar. Ersterer mit hungrig heldischem Tenor, der teils zur lauten Übersteuerung neigt. Letztere spielerisch anmutig, im ersten Akt, am Morgenmantel spielend, noch etwas verhalten, doch steigert Tyrann sich beim Ball ins angenehme Sopranhafte. An die Rothenberger erinnernd, gibt Cornelia Horak geschickt und mit Sinn für Spielhumor die wissende Gräfin mit gesetztem und operettenaffinem Sopran. Üblicherweise gehört dem niederen Paar der Abend. Hausmann für‘n Wiener Schmäh, Daniel Prohaska, breitet seinen sattelfesten Tenor mit klarer Diktion aus und gewinnt spitzbübisch ebenso die Gunst des Publikums wie Jasmina Sakr, die neben schönen Spitzentönen mit Tanzeinsatz und Liebreiz ihrer Peppi überzeugt. Erwähnenswert ist Wolfgang Hübsch als routinierter Sidekick, der unaufgeregt perfekt seine Dialektpointen aus der Hüfte schießt.

Locker aus der Hüfte geht diese Partitur auch Kapellmeister Michael Brandstätter, der die musikalischen Korken im Dreiviertelakt knallen lässt, das gut aufgelegte Orchester beschwingt durch die Nummernrevue tänzeln lässt, wenngleich er sich vielleicht etwas arg in den Heberl verliebt. Leider verklingen die Tutti-Stellen zu schnell.

Am Ende klatscht das beglückte Publikum im Tritschtratsch und Wien ist in München noch einmal heimischer geworden.

Andreas M. Bräu

Fotos: Christian Pogo Zach