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Fakten zur Aufführung 

TSCHITTI TSCHITTI BÄNG BÄNG
(Richard M. Sherman/
Robert B. Sherman)
2. Mai 2014
(Premiere am 30. April 2014)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Residenztheater


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Hochtourig britisch

Natürlich muss der Zuschauer eine ganze Zeit warten, bis sich das Wunderauto in den Bühnenhimmel erhebt. Doch spätestens dann hat sichtbare Theatermagie dieses gelungenen Generationenabends die vielen Kinder im Publikum und auch die Eltern vollends eingenommen. Intendant Josef Köpplingers großem Team ist mit seiner Inszenierung des MGM-Films Tschitti ein im besten Sinne altmodischer, nostalgischer und schlichtweg schöner Musicalabend gelungen. Gleichzeitig stemmt das Gärtnerplatztheater damit die sicherlich aufwändigste Produktion seit Langem, der man das Handwerk ebenso wie die Begeisterung ansieht.

Ganz filmisch beginnt dieser Höhenflug mit einem eingespielten Vorspann, und die vielen Familien sind schon ab da nicht mehr zu halten. Im Takt des eingängigen Poppins-Sounds wird mitgeklatscht, bis sich das wurlende Bühnengeschehen stetig zu peppigen und komischen Szenerien steigert. Die Geschichte der braven Kinder des erfolglosen Erfinders Caractacus, die ihr geliebtes Alteisenauto retten wollen und dafür in ein kurioses Abenteuer bis ins skurrile Vulgarien reisen, wird temporeich erzählt. Die filmisch schnellen Schauplatzwechsel löst das gescheite Bühnenkonzept von Judith Leikauf und Karl Fehringer elegant, die ihre bisher beste Arbeit für das Haus abliefern. Eine schlichte Comic-Animation im Hintergrund und liebevoll handgemachte Bühnenminiaturen reichen mit vielen Prospekten aus, um nicht nur den Kleinen eindrucksvoll aufzuzeigen, wie der Zauber der Bühne funktionieren kann. Nach Peter und der Wolf gelingt diese Theaterstunde des Gärtnerplatzes mit einer solchen Liebe, dass das Technikteam, das sinnigerweise am Ende zum Applaus mitauftritt, stürmisch beklatscht wird.

Natürlich auch wegen des Wunderautos, das kostenintensiv und broadwaywürdig – dank einer importierten Hydraulikvorrichtung – nicht nur frei über die Bühne kurvt, sondern sich tatsächlich galant in die Lüfte erheben kann. Wichtiger und schöner aber als dieser eindrucksvolle Trick sind die handgemachten Schaumomente eines detailverliebt ausgestatteten Vintage-Zirkusses, einer zuckersüßen Schokoladenfabrik und, Köpplingers große Stärke, der vielen kleinen humoristischen Miniaturen, die sich auf der ganzen Bühne abspielen. Bonbonfarben und auf hohem Niveau in Szene gesetzt hat das Ausstattungsleiter Alfred Mayerhofer.

Nach MGM-Tradition wird hier übrigens endlich einmal wieder eine kluge, quasi harmlose und trotzdem gute Geschichte mit Gehalt erzählt, die nicht nur den Kindern eine schöne Lehrstunde über einige Grundwerte vermitteln dürfte. Freilich gruseln sich die Kleineren vor dem wohldosiert bösen Kinderfänger, dargestellt von Markus Meyer, doch spätestens, wenn der 40 Kinder starke Chor diesem gesanglich contra gibt, sind die Jungen getröstet und die Älteren gerührt. Schleppt dabei handlungsbedingt die erste Hälfte, bis der Motor in Gang kommt, schnurrt dieser hochtourig und sehr britisch in einem Gag-Feuerwerk dem Finale entgegen.

Das liegt vor allem am Ensemble. Den Gärtnerulknudeln Sigrid Hauser und Erwin Windegger als abgedrehtes Bösewichtsbaronenpaar gehören die stärksten Momente, und sie schaffen es, durch präzise Stimmkomik und physisches Timing, sogar dem Fluggerät die Show zu stellen. Dabei hilft ihnen in einer genialen Sambaeinlage die vielseitige Choreografie von Ricarda Regina Ludigkeit, die beweist, dass sie auch ohne Steppschuhe Bühnen zum Kochen bringen kann. Oft gelingt das auch dem Sidekick-Paar Boris und Goran, einer urkomischen Agententravestie von Hannes Muik und David Jakobs. Nadine Zeintl ist sehr auf Schmelz bedacht mit ihrer resoluten Truly, während Peter Lesiak als sympathischer Papa und Erfinder vor allem durch flotten Tanzrhythmus punkten kann. Ein spielfreudiges Ensemble in unzähligen Rollen komplettiert diese abwechslungsreiche Kurverei zwischen Kinderstück und Klassiker.

Musikalisch besonders beachtlich ist der massiv große Kinderchor des Gärtnerplatztheaters, der, kurz vor Schluss über die Szene wimmelnd, noch eins draufsetzt. Unter der Leitung von Jörn Hinnerk Andresen auch von den Erwachsenen unterstützt, zeigt das Haus Großes. Köpplinger greift auf seinen ganzen Apparat zurück, durchmischt den Chor mit seinem Hausballett, lässt männliche Häschen hüpfen und füllt die Bühne mit Schauwerten, die in Erinnerung bleiben.

Musikalisch erfüllt sie das vielseitige Orchester. Nach Semele und Serail tönt mit sichtbarem Spaß hier aus dem Graben Tschutschi-Maus und Bombie-Samba. Chapeau vor diesen Musiker, die, vom Ersten Kapellmeister Michael Brandstätter wohl eingestimmt, nicht nur die schmissigen Nummern, sondern auch die vielen kleinen Hintergrundmomente als Soundtrack-Macher schwungvoll beleben. Das Publikum klatscht im Takt und bricht am Ende in Jubel aus über diesen nostalgischen Höhenflug der Familienunterhaltung. Mehr davon!

Andreas M. Bräu

Fotos: Christian Zach