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Fakten zur Aufführung 

SINGING IN THE RAIN
(Nacio Herb Comden/Adolph Green)
23. April 2015
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Residenztheater


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Glücksstern am Walk of Fame

Auf den MGM-Klassiker Tschitti Tschitti Bäng Bäng folgt nun der unsterbliche Warner-Brothers-Film Singing in the Rain aus dem Jahr 1952 in der Bühnenvariante. Das Gärtnerplatztheater belebt das goldene Zeitalter Hollywoods erneut und liefert einen fetzigen, tänzelnden und witzigen Abend im Geiste der Vergangenheit.

Intendant Josef E. Köpplinger holt diese – wie viele andere Inszenierungen – nach München und besetzt sie mit erfahrenen Kräften. Der Effekt ist eine erfrischende Tanzrevue, die sich nah am Filmoriginal orientiert und auch das detaillierte Plagiat nicht scheut. Samt Vorspann und viel Text wird der Gene-Kelly-Klassiker als Hommage an die ersten Stunden des Tonfilms mit sehr viel Tempo und qualmenden Sohlen reaktiviert. Die Mittel dazu kopiert Genre-Fachmann Köpplinger bei den großen Atelierproduktionen der vierziger und fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Prospekte schweben ein, Scheinwerfer flammen auf, Kostüme wechseln im Minutentakt, und an passender Stelle fällt ein dünner Regenvorhang zum Evergreen aus dem Schnürboden. Auf einer Meta-Ebene spielt Köpplinger dabei tatsächlich Hollywood: Gestandene Musicalgrößen wie Dagmar Hellberg spielen, ohne zu singen, die Ballett-Company fungiert als statierendes Ensemble, und selbst am Broadway wird mittlerweile wienerisch gesprochen. Anything goes. Denn das Theater schöpft aus dem Vollen. Durch den satten Klang einer großen Orchesterbesetzung anstatt kleiner Band, durch die Mittel des Staatstheaters, die Bühnenzauber ermöglichen und durch ein starkes Ensemble gelingt dieser Abend mit Witz und Ironie.

Großen Anteil hat daran Ricarda Regina Ludigkeits rasante Choreografie zwischen Charleston, Steppwahnsinn und Grande Gala. Nah an Gene Kellys Originaleinfällen trimmt sie ihr Ensemble und die leading gentlemen im Besonderen zu Höchstleistungen. Schließlich ist auch das Filmoriginal mehr Tanzrevue im Sinne von Fred Astaire als Musical. Die Doppelbödigkeit des Studiosystems, das Granden wie Greta Garbo bei der Umstellung zum Tonfilm noch persönlich erlebten, wird hier polemisch wie überzeugend erzählt. Dazwischen präziser Slapstick, klappernde Sohlen und einige gute Big-Band-Nummern. Die auf Rolf Langenfass‘ Ausstattung basierenden Kostüme und Atelierkulissen füllen diese Reminiszenz mit glitzerndem Leben.

Lebendig und seinem Ruf als Publikumsliebling der Gärtners verpflichtet, liefert Dany Prohaska eine beindruckende Leistung als Don Gene Lockwodd Kelly ab. Mit klassischem Timbre produziert er den richtigen Schmelz für die Swing-Nummern, steppt geschwind, tanz galant und spielt zwischen Stummfilmgeste und ehrlichem Gentleman eine wunderschöne Vorstellung des alten Hollywoods. Gesanglich vom Tempo manchmal überrannt, steht ihm mit Peter Lesiak als Cosmo ein Pointenfachmann an der Seite, der die physische Komik in Tanz und Spiel beherrscht und sich vor Donald O’Connor nicht verstecken muss. Mit breitem Akzent und zurückgenommener stimmlicher Präsenz überzeugt Nadine Zeintl bei ihrem ebenfalls wiederholten Auftritt in München als Kathy eher tänzerisch und wird von der Wucht und Bühnenpräsenz der schlichtweg besseren Rolle der Lina überrannt. Die skandalösen Beine, die Spielfreude und die Publikumserfahrung von Bettina Mönch als schrill-komische Lina Lamont ernten berechtigt den meisten Applaus. Mönch lispelt sich bezaubernd vom Dschungel über den Wolfgangsee nach Hollywood und fällt an passender Stelle aus der Divenrolle, um stimmliche Präsenz und Rampenaffinität zu beweisen. Der Dialog mit der ebenfalls treffsicheren Dagmar Hellberg, die allein das Ensemble stemmen könnte, gehört zu den Höhepunkten des Abends. Die weiteren Kräfte überzeugen zwischen vielen kleinen Gags, viel Tanz und noch mehr Rollenwechseln, ganz im Sinne eines großen Hollywoodstreifens eben.

Satter und gefälliger Sound dringt dank Jeff Frohner als Bandfachmann aus dem Graben. Was kann dieses vielseitige Orchester nicht alles? Nach Richard Strauss und kürzlich Mussorgski swingen die Musiker des Gärtnerplatztheaters nun als fetzige Big Band mit flotten Tempi durch den Abend.

Am Ende spannt man die Regenschirme auf, erinnert sich an die goldene Vergangenheit des Studiosystems, applaudiert gut gelaunt und summt beschwingt im Regen.

Andreas M. Bräu

Fotos: Marie-Laure Briane