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Fakten zur Aufführung 

SCHLAGOBERS
(Richard Strauss)
11. Dezember 2014
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Zirkus Krone


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Der Firmling und die Tortenfabrik

Richard Strauss war bekanntlich nicht nur zu seinen Wiener Zeiten ein vollmundiger Genießer, verfasste selbst Rezepte und adelte seine Lieblingssüßspeise, das Hagebuttenmark, in Intermezzo mit Opernehren. Gänzlich dem Zucker verschrieb er seinen neben der Josephslegende einzigen Ausflug ins Ballettfach mit der Revue Schlagobers. Die Handlung des sich überfressenden Firmlings, der direkt aus der Konditorei in ein Sahnekönigreich entschwindet, sich den Magen verdirbt und in der Klinik neue Kuchenphantasien durchlebt, bildet dabei nur eine Kulisse für eine stark romantisierende, fette und vielseitige Partitur, die nun durch Balletchef Karl Alfred Schreiner für das Gärnterplatztheater erstmals in München adaptiert wird.

Am sicherlich ungünstigsten Ausweichspielort, der Reithalle, nutzt man die flächige Ebene für die Choreografie und positioniert das Orchester erhöht dahinter. Eine Tugend hat die Vagabundenzeit des renovierenden Hauses dennoch. Eine volle Strauss-Besetzung würde ebenso wie der kürzlich gefeierte Britten gar nicht in den engen Orchestergraben des Stammhauses passen. Nun ist also Zeit für symphonische Experimente.

Schreiner experimentiert nicht groß an Strauss‘ Späßen herum, sondern setzt auf Schauwerte. Die Handlung verlegt er sanft vom angedeuteten Kaffeehaus samt schmausender Tortentonnen direkt in das Kuchenbuffet, in dem sich folglich die Geschmacksrichtungen tummeln, mischen, verschmieren und kombinieren. Nicht aus dem Martiniglas, sondern aus der übergroßen Muffin-Form mit Zuckerperlen entsteigen die süßen Grazien. Die schwerfälligen Bühnenelemente von Kaspar Glarner und Marco Brehme stören dabei. Ständig werden Kuchenriegel, Schokoblöcke und weitere Kästen über die Bühne geschoben. Sie wirken dabei leider immer noch wie Gymnastikmatten in einer Pastellturnhalle. Bedachter und auch musikalisch spannender kommt die zweite Hälfte daher, die am Ende die gesamte Bühne im Schaumobers ertränkt und ein gewitztes, aufgeschlagenes Schlusstableau ermöglicht. Dabei helfen die schmackhaften, samtenen Farbrichtungen von Alfred Mayerhofers Kostümen, der Prinzessin Kakao und Brombeere lecker einkleidet.

Choreografisch setzt Schreiner auf sanfte, kalorienhaltige Erotik, die den Firmling schnell zum Mann werden lässt. Gerade die beiden Führungsdamen Ariella Casu und die erblondete Sandra Salietti überzeugen mit Präzision und Körpergefühl. Schreiner konzentriert sich auf klassische Bewegungsformen, Gruppenhebungen und inszeniert die Oberkörper aus, viel Armarbeit und zuckende Pointen in der Klinik. Der für seinen jovialen Führungsstil bekannte Ballettchef leitet eine deutlich erneuerte Company an. Die Synchronität, ein lange weilendes Problem dieses Ensemble, hat sich dabei klar verbessert. Stilistisch spielt er mit fließenden Gruppenbewegungen, weniger mit Paarakzenten und sehr handlungsorientierten Läufen. Gar mancher zeigt wie Davide Di Giovanni als Kaffeeprinz starke Leistungen klassischen Bewegungstanzes. Javier Ubell überzeugt trotz adipöser Exzesse als einnehmender Junge im Schokoparadies.

Strauss wird trotz ambitionierten Dirigates nicht Comins neuer Liebling sein. Anders als bei Britten fehlen hier die versteckten Kanten von Strauss‘ vielseitiger, sich auch in der Volksmusik bedienender Musiksprache. Klingt der Walzer noch galant, könnten die dramatischen Akzente schöner herausgearbeitet und gerade die Kommunikation zu den Flöten verbessert werden. Ein zu großer Klecks Sahne landet auf diesem Strauss.

Dessen Enkel und Motivator in Dingen Straussscher Musikverbreitung wacht über diese erfrischende und gewitzte Neuentdeckung voller süßer Details und einem typisch vorweihnachtlichen Thema, das neben Nussknacker und Hänsel so richtig zum Hör- und Sehschlemmen einlädt. Viel Applaus für Team und Company.

Andreas M. Bräu

Fotos: Marie-Laure Briane