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Fakten zur Aufführung 

MANDELA TRILOGY
(Péter Louis van Dijk, Mike Campbell)
5. Juni 2014
(Premiere)

Deutsches Theater München


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Nach der Premiere


In seinem Audiobeitrag stellt Horst Dichanz den Mann vor, der die Mandela Trilogy entwickelt hat: Michael Williams (6'46).


 

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Qual und Ekstase

Schon der junge Mandela, noch unter seinem Stammesnamen Madiba, muss erfahren, wie nahe Qual und Ekstase für einen afrikanischen Jungen bei einander liegen. Der Weg zum anerkannten „Mann“ im Stamm der Thembu führt über ein qualvolles Ritual der „Mannhaftigkeit“ beim Medizinmann, bevor dann seine neue Würde in ekstatischen Tänzen gefeiert wird. Und der politisch endlich erfolgreiche Mandela kann zwar 1994 als erster schwarzer Präsident von Südafrika den politischen Durchbruch geradezu ekstatisch feiern, muss aber das unter der Last der politischen Belastungen zusammengebrochene Familienleben ertragen – ein qualvoll hoher Preis.

Mit einem afrikanischen Initiationsritus in der Umgebung seines Stammes in Kwazulu-Natal lässt Michael Williams die Mandela Trilogy beginnen, mit der die Cape Town Opera dem Deutschen Theaters in München zu dessen Wiedereröffnung einen gewaltigen Blumenstrauß und ein Bühnenfeuerwerk der Extraklasse überreicht. Williams gliedert seine Trilogie entlang der wichtigsten Stationen des Lebens von Nelson Mandela. Der erste Akt gilt dem jungen, gerade zum Mann gewordenen, wilden Madiba, der erst in der Schule den Namen Nelson erhält. Hier zeichnet Williams ein buntes Bild mit Auszügen aus dem von Ritualen und festen Formen durchsetzten afrikanischen Leben des Madiba, das leicht folkloristische Merkmale trägt. Im zweiten Akt folgt er den Spuren des jungen Anwaltes und Agit-Prop-Funktionärs und Anti-Apartheid-Kämpfers Mandela in und um Sophiatown bei Johannesburg bis zu seiner Verhaftung und Verurteilung durch ein weißes Gericht. Der dritte Akt deutet die Drangsale und Enge an, die Mandela während seiner insgesamt 27 Jahre Haft erdulden muss. Doch Williams befasst sich auch intensiv mit der Person Mandelas, mit seinen Hoffnungen, politischen Zielen und seinen Selbstzweifeln. Ganz allmählich führt dieser Akt dann zur Freilassung Mandelas 1990 und seiner ersten Rede als freier Mann in Kapstadt.

Zu diesem Handlungsrahmen haben Peter Louis van Dijk und Mike Campbell eine kongeniale Musik komponiert. Im ersten Akt greift van Dijk auf afrikanische Klänge zurück, wählt wilde Rhythmen, Bongos und Kongas und gibt den Tanzeinlagen und Gesängen ein leicht folkloristisches Flair. Campbell verwendet für den zweiten Akt, in dem Mandela der westlichen Kultur auf Versammlungen, geheimen Meetings und in Bars begegnet, zeitgemäße Jazzrhythmen, in denen viel Swing, Broadway- und Musicalsound erklingt. Für den dritten Akt schließlich behält van Dijk seine afrikanische Grundtönung bei, erweitert sie aber um viele Forte- und Fortissimo-Passagen und gibt ihnen damit ein besonders dramatisches, opernhaftes Gewicht.

Entsprechend dieser zeitlichen Gliederung taucht Mandela als sich verändernde Figur in unterschiedlichen Besetzungen auf. Den ungestüm-jungen Madiba alias Mandela bringt Thato Machona mit viel Temperament und kräftigem Bariton auf die Bühne. Aubrey Poo präsentiert den schon westlich gewandten, heißblütigen und doch kontrollierten Anwalt und politischen Agitator, Aubrey Lodewyk überzeugt als emotional tief verwurzelter, politisch erfahrener und von Selbstzweifeln nicht freien Mandela in der Hauptrolle. Auch die weiteren Rollen sind stimmlich und darstellerisch bestens besetzt, nicht alle Stimmen lassen sich den gewohnten Kategorien zuordnen. Genannt werden soll noch Derick Ellis mit klangreichem Tenor als Gefängnisdirektor und die temperamentvolle Tina Mene als Mama mit dramatischem, die Szene beherrschenden Sopran.

Die Münchener Symphoniker unter Leitung von Albert Horne, Kapstadt, überzeugen als erfahrenes und stilsicheres Orchester, dem ungewohnte afrikanische Klänge ebenso gelingen wie flotte Jazzklänge aus den Bars und Clubs der 1950-er Jahre, die den populären Pata Pata ebenso mitreißend erklingen lassen wie wehmütige Passagen des tief in sich versunkenen Mandela. Der 25-köpfige preisgekrönte Chor der Cape Town Opera entpuppt sich als wesentliches Element der Dramatik dieses Musiktheaters. Ob es die schrillen Schreie der Frauen während afrikanischer Riten sind oder gefühlvolle Phrasen in der Auseinandersetzung Mandelas mit seiner Frau Winnie, sein Klangvolumen und seine Emotionalität reißen mit und berühren.

Nelson Mandela, längst vor seiner Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 1993 und vor seinem Tod 2013 zu einer internationalen Ikone geworden, wird in der Mandela-Trilogie angemessen in einem kosmopolitischen Rahmen dargestellt. In jeweils zeitgemäßer Kleidung reichen meist kleine Accessoires zur Kennzeichnung der Figuren. Das den Bühnenhintergrund füllende Gerüst mit zwei Aufgängen ist schnell zum Dorfplatz, Gefängnishof, Versammlungsort oder Bartresen umgestaltet. Die Beleuchtung hebt meist die Protagonisten hervor und liefert in Hintergrundprojektionen zeitgenössische Bezüge.

Mit langsam anschwellendem und dann zu Ovationen durchbrechendem Beifall drücken die Zuschauer zwei Gefühle aus: Zum einen die große Begeisterung über eine mitreißende, bestens unterhaltende Aufführung dieser Cape Town Truppe – zum anderen aber die tiefe Sympathie des Auditoriums für die Ziele der schwarzen Bevölkerung in Südafrika. Sie hat zwar 1994 mit der neuen Verfassung formal die Apartheid abgeschafft, man begegnet ihr aber noch täglich in Südafrika und darüber hinaus. Begeisterung und Rührung nach einer musikalisch anspruchsvollen, authentischen Inszenierung – beste Voraussetzung für eine lange, fröhliche Premieren-Feier.

Horst Dichanz

Fotos: Florian Staron