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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
27. September 2015
(Premiere am 5. Juni 1973)

Bayerische Staatsoper München


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Butterflybeton

Wenige viel gespielte Opern wehren sich dermaßen gegen das Regietheater wie der aus der Zeit gefallene Rosenkavalier und die exotisch altmodische Liebesmär der Madama Butterfly. Der romantischen Sogwirkung beider Werke tut das keinen Abbruch, viele Häuser begnügen sich deshalb mit langlebigen klassischen Inszenierungen der Vergangenheit, die sich oftmals großer Beliebtheit beim Mehr-Generationen-Publikum erfreuen. Regieexperimente wie Doris Dörries Manga-Versuch bleiben gerade bei der Butterfly die Ausnahme.

Dennoch lohnt der Detailvergleich, streiten Puristen gar über die Positionierung des Hochzeitshäuschens rechts oder links auf der Bühne. Dieses und vieles Weiteres kommt in der Münchner Inszenierung von Wolf Busse bisweilen schwerfällig daher. Es fehlt an Kleinigkeiten, an Herz und Figurenspiel. Otto Stich hat die übliche, mittlerweile wohl restaurierte Japanszenerie mit einem dennoch recht vergilbten Hintergrundprospekt entworfen. In der zweiten Hälfte wechselt die Ansicht ins Interieur von Cio-Cio-Sans einsamem Heim. Viel leichter und filigraner sieht das in Josef Gielens vergleichbarer und ebenfalls noch gespielter Inszenierung an der Wiener Staatsoper aus. Ebenfalls ästhetischer überzeugt die Altproduktion von Keita Asari an der Scala. Busses Produktion dagegen wirkt wie eine Fleißarbeit ohne Handschrift, und das Herz ging offensichtlich über die Jahre verloren.

Oftmals müssen die Sänger abgeschleifte Figurenregie füllen. Hier steht sich ein rampenorientiertes Paar wie Pat und Patachon händchenhaltend gegenüber. Da hilft auch Puccinis Musik nicht mehr. Logische Fehler wie die unverständliche Auftrittsverbeugung der Geisha ins Parkett und die wenig ausgestalteten Gruppentableaus mindern zudem Optik und Spielreiz. Die verkünstelte Todeschoreografie hinter, neben und schließlich wieder vor dem Paravent tut ihr Übriges. Zwar stimmt die Kostümausstattung von Silvia Strahammer, doch die japanische Verkleidung insgesamt bleibt fremd, nicht verzahnt und oftmals statisch langatmig. Zu wenig Erinnerliches hat die Zeit überdauert. Einmal wischt sich Cio-Cio-San die Freudentränen aus dem Auge, um überhaupt die Ankunft der Lincoln durch das Fernrohr sehen zu können. Zu singulär bleiben solche präzisen Miniaturen. Von Romantik keine Spur, die Verführung und der Zwiespalt einer arrangierten Vernunftehe, die sich zur Illusion einer unmöglichen Liebe steigert, gehen unter, selbst der Tod wirkt notwendig. Schließlich naht das zwangsläufige Finale ohne innere Motivation und szenischen Drive.

Konzentriert sich etwa Gielen auf das verführerische Spiel zweier Fremder unter schlechtem Vorzeichen und erzählt Asari die große Geschichte des Frauenleides, so werden hier Summchor, Heirat und Tod lieblos abgespult. Eine Entzeitlichung, vor allem aber eine Frischzellenkur auch bei der x-ten Wiederaufnahme täte dieser betonschweren und angestaubten Produktion mehr als gut.

Leider läuft an diesem Abend auch stimmlich nicht alles rund. Weit von seiner Bestform entfernt, scheint Joseph Calleja temporär geschwächt. Zwar führt er seinen angenehm hellen Tenor geschickt, doch dunkelt mehrfach ab, haushaltet und ist mit Glanzleistungen an diesem Haus hoffentlich nur an diesem Abend im Rigoletto oder im Tell nicht vergleichbar. Nur entfernt scheint seine stimmliche Größe beim Addio, Fiorito Asil durch. Besser und sehr routiniert an seiner Seite gibt Hui He die Cio-Cio-San. Eine Butterfly ist das, der die Leidenslyrik mehr liegt als die Liebeskraft. Präzise und schön phrasiert singt sie ihren großen Monolog im zweiten Akt und brilliert im Zusammenspiel mit der gewohnt überzeugenden Okka von der Damerau als Suzuki im Blumenduett. Szenisch etwas zu affektiert gibt es bei dieser Butterfly auch in der Harmonie mit Pinkerton Calleja, der zwar neuerlich sportlicher, doch wenig agil agiert, deutliche Abstriche. Rührender und mit erneut sattem Barriton gestaltet Levente Molnar seinen Sharpless im Rahmen der Möglichkeiten selbst. Sogar das gut besetzte Kind Louis Veronik geht in dieser Inszenierung fast verloren und kann erst beim Applaus wirken.

Am Pult steht Keri-Lynn Wilson und doppelt die szenische Schwere mit langsamen Tempi und überbordender Dramatik. Erst im Duett springt kurzzeitig der Funke über, oftmals verdeckt sie schlichtweg die Sänger. Bonzo ist nicht mehr hörbar, Calleja kämpft und aus dem Graben tönt übervoller, uninspirierter und wenig akzentuierter Puccini-Bombast. Der ehemaligen Flötistin fehlt leider der Mut zu einer Interpretation, sie verlässt sich auf Pauken und breite Streicher. Von den Sängern ist sie meilenweit entfernt.

So verlässt man diese an sich gut gemeinte, klassische Inszenierung übersättigt und ob der fehlenden Detailliebe ebenso enttäuscht wie über platten Orchesterlärm und gebremste Sänger, die dieser Evergreen auch im zweiundvierzigsten Jahr in München nicht verdient. Das Publikum reagiert mit freundlichem Applaus.

Andreas M. Bräu

 

Fotos: Wilfried Hösl