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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
1. Juli 2014
(Premiere am 25. September 2007)

Bayerische Staatsoper München


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Die Mutter der Verdammten

Also München hat sie sich ausgesucht. In der Stadt der frühen Erfolge kommt das Rollendebüt der Angstfigur einer jeden Sopranistin von Weltruhm, die selbst die Größten scheuten. Im Herbst wird sie an der Met auftreten und künftig noch öfter das Repertoire der medial präsenten diva assoluta del mondo bestimmen. Um es vorwegzunehmen: Die Netrebko bestätigt ihren Ruf, abseits aller Gossips und Klassiksternchenspektakel hört man die Sopranistin in einer Glanzrolle und erlebt eine mimische Ausgestaltung, die fasziniert.

Diese wird von Martin Kusejs Inszenierung auch herausgefordert. Seine Horrordeutung als Einstiegsproduktion von Intendant Bachler aus dem Jahr 2007 passt zur Aktionslust der Russin. Zum Publikumsgeschmack passt sie weniger. Martin Zehetgruber schafft ein hamletsches Schädelfeld mit Armeezelt, das bühnenfüllend bespielt und nur von Plastikplanen und einem verschwenderischen Kronleuchter konterkariert wird. Einkleiden lässt er seinen Zeitlosschick von Werner Fritz.

Gleich zu Beginn der Schocker: Die Lady treibt ihren Embryo ab, entsagt der Geschlechtlichkeit und widmet sich künftig kühl allein der Macht. Kusej baut üblicherweise starke, eindrucksvolle Bilder. Die Hexen werden von Kinderdoubles aus dem Dorf der Verdammten stark ausinszeniert. Eine fade Zombiemasse, die den neuen König umschwirrt, eine Aufstandsmasse mit erhobenem Schwert und immer wieder die Lady, rauchend, blutverschmiert, schick und böse. Daneben nötigt Kusej sich gerade im dritten Akt zu faden Aufregern wie urinierenden Statisten, denen die Hexenkinder das Nachtgeschirr unterschieben oder den langweilend kopulierenden Massen sowie den sinnlosen Oben-Ohne-Häschen. Alles das hätte er außer für den Krawall nicht gebraucht. Sein präzise angeleitetes Personenspiel, gerade des intriganten Königspaares, reicht aus. Wenn des Königs Trauerfeier zu einer perfiden Mafiabeerdigung verkommt, dann zeigt Kusej seine deutende Größe.

Neben der Netrebko agieren starke Festspielkräfte. Leider wirkt Keenlyside an diesem Abend belegt und nicht auf üblicher Höhe. Lange schont er sich, scheint sich für die große Szene im vierten Akt aufzusparen und hat an diesem Haus – nicht nur bei Mozart – sonst Besseres geleistet. An seinem Zenit dagegen Joseph Calleja als Belcanto-Gigant, der seine punktierten Auftritte mit diesem Größentenor ideal nutzt. Im tiefen Bass breit und klar geführt Ildar Abdrazakov als sehr schöner Banco. All diese Protagonisten bereiten der Lady die Bühne. Die Netrebko ist im Dramatischen angekommen. Ob es eine Rückkehr geben wird, soll die Zukunft zeigen. Mit der Lady fühlt sie sich wohl. Sie sucht die Koloratur, geht sie extrem an, stemmt mit dem metallisch bekannten Timbre die Höhen in einer Fülle, die erneut beeindruckt. Mit der roten Mähne leuchtet sie wie eine Fackel, hell und anhaltend, ohne sich zu verzehren. Eine Aida interessiert sie, eine Tosca wird bald eingefordert werden. Die spielerische Präsenz, das Aufgehen in der Rolle und die Verbindung mit teils scharfen Tonsprüngen zu ihrer Charakteristik begeistert zu Recht. Chor und Orchester flankieren diese herausragende Leistung auf üblich hohem Niveau.

Am Pult seziert Paolo Carignani, der mit der Netrebko bei der Giovanna in Salzburg bereits erfolgreich war, das musikalische Geschehen. Getragen, oft langsam, klar differenziert und scharf gefeilt präsentiert er einen unruhigen Verdi, der von späterer Rundung noch nichts erahnen lässt.

Ein großer Abend ist das, szenisch oft gelungen und mit einer Sopranleistung, die so hoffentlich dauerhaft wiederholbar bleibt. Lange Jubelchöre und mehrere Vorhänge.

Andreas M. Bräu

Fotos: Wilfried Hösl