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Fakten zur Aufführung 

LUCIA DI LAMMERMOOR
(Gaetano Donizetti)
1. Februar 2015
(Premiere am 26. Januar 2015)

Bayerische Staatsoper München


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München trifft Hollywood

Die Regisseurin dieser mit Spannung erwarteten Neuproduktion der wohl berühmtesten Oper von Gaetano Donizetti, Barbara Wysocka, verlegt die Handlung in das Amerika der 1960-er Jahre. Das Regieteam lehnt sich in der Ausstattung und Bildern an berühmte Filmvorlagen wie das Epos Die Giganten oder West Side Story an, um die tragische Liebesgeschichte um einen Familientwist im mittelalterlichen Schottland aktualisiert darzustellen. Aufgrund fehlender langer Umbaupausen wird die Handlung flüssig erzählt. Die Kostüme von Julia Karnacka bringen Farbe und Eleganz in das verrottete Ambiente. Lediglich die Personenführung ist dürftig. Meist wird statisch an der Rampe gesungen, mit Revolvern ungeschickt gespielt oder nervös geraucht.

Der Vorhang öffnet sich, und wir befinden uns in einem großen Saal, dessen ursprünglicher Glanz nur mehr zu erahnen ist – das Bühnenbild verantwortet Barbara Hanicka. Geschickt wird dieses Ambiente den Abend über zum Rahmen der bröckelnden Familiengeschichte der Ashtons, die mit den Ravenswood tief verfeindet sind. Just hat sich die junge Lucia Ashton geheim in Edgardo de Ravenswood verliebt. Das Happyend versucht Bruder Enrico intrigenhaft zu verhindern und treibt seine Schwester in eine gewünschte Hochzeit mit Lord Arturo, die in der Hochzeitsnacht mit der Ermordung des Gatten endet. Von Gram gepeinigt stirbt sie wie auch der von Liebesleid geplagte Edgardo.

Gleich zu Beginn mit musikalischer Untermalung der Overtüre treffen wir auf Lucia, noch als kleines blondes Mädchen, einen Revolver in der Hand, wie sie den Trauerzug ihrer Eltern erlebt. Blond gelockt, jugendlich rebellisch kehrt diese Lucia in der Darstellung von Diana Damrau mit ihrer Spielfreude und viel Ausdruck erwachsen wieder. Ihre Koloraturen gelingen nicht immer leicht und glatt, vorsichtig wagt sie sich in die Höhe, aber die Dramatik und Kraft der Stimme reißen das Publikum von den Sesseln. Überzeugend ihr Verfall in den Wahnsinn nach dem Mord an ihrem Gatten. Noch im glitzernden Abendkleid der Hochzeitsfeier hält sie die feine Partygesellschaft gekonnt mit dem Revolver im Zaum. Ihr geliebter Edgardo ist ein gelungener Verschnitt aus James Dean und Leonardo di Caprio in Lederblouson, engen Jeans und T-Shirt, was aber mehr für die schauspielerische Leistung von Pavol Breslik in der Rolle spricht. Vor allem gesanglich überzeugt der Slowake in dieser Rolle. Seine Stimme hat sich seit seinem Debüt an diesem Haus gut entwickelt. Sein fein timbrierter Tenor verfügt über viel Wärme und Klang, der auch in den Höhen gut geführt ist. Lässig wird er im offenen monströsen Ami-Schlitten auf die Bühne geschoben, medienwirksam wird seine Abfahrt auf die große Leinwand übertragen, bevor er am Ende sein Auto nach dem Verlust der Geliebten gegen die Wand fährt. Liebeserklärung und Treueschwur an Lucia erklingen mit viel Pathos und enden mit seinem unglücklichen Selbstmord mit viel Blut. Neben dem Liebespaar Damrau und Breslik agiert Luca Salsi als undifferenzierter Enrico. Georg Zeppenfeld macht seinen Raimondo zum zentralen Strippenzieher der Tragik. Donnernd schwer hallen seine kraftvollen Mahnungen, seine vergeblichen Aufrufe zu Frieden und Versöhnung.

Im Orchestergraben gibt Generalmusikdirektor Kyrill Petrenko seine gestenreichen Anweisungen. Immer wieder ragt die Hand des Maestro sichtbar in die Höhe, um die Sänger und besonders den wieder einmal brillierenden Chor anzufeuern. Stellario Fagone hat in der Einstudierung des Chores an einem nuancenreichen, differenzierten Gesang gearbeitet, der der musikalischen Interpretation von Petrenko entspricht. Dieser zerlegt die Partitur in jede Einzelstimme, die Instrumentengruppen wirken im Klang fein getrennt. Es entsteht ein dünner, leichter Klangteppich mit vielen Instrumentalmustern. Man vermisst anfangs die schwere Dramatik und frühromantische Klangfarben, aber einmal eingehört, eröffnet es neue subtile Klangerlebnisse. Die feingliedrige Harmonik gibt insbesondere den Gesangssolisten viel Raum.

Das Publikum wird von der Tragödie sichtlich vereinnahmt und setzt erst nach einer Atempause in tosenden Applaus ein. Einen Begeisterungssturm und standing ovations gibt es für Damrau und Breslik sowie für den Dirigenten und das Orchester. Eine gelungene Neuproduktion mit einer schlüssigen gestalterischen und musikalischen Umsetzung bei Schwächen in der Personenführung.

Helmut Pitsch

Fotos: Wilfried Hösl