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Fakten zur Aufführung 

JESUS CHRIST SUPERSTAR
(Andrew Lloyd Webber)
22. Juli 2014
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Zirkus Krone


Points of Honor                      

Musik

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The Voice of Jesus

Die Arena erstrahlt im blauen Scheinwerferlicht. In der Mitte erhebt sich eine quadratische Bühne. Vier Mikrofonständer sind aufgebaut. Ein junger Kerl betritt die Erhebung und nimmt ein Mikrofon. Gekleidet in Unterhemd, Jeans und Wollmütze beginnt er zu singen. Das Publikum ist begeistert.

Nicht als Castingshow, doch in ähnlichem Setting geht die Premiere des zunächst als konzertant beworbenen und schließlich semikonzertant aufgeführten Jesus Christ Superstar im Circus Krone vonstatten. Vor ausverkauftem Haus und vielen angereisten Musicaljüngern wird Webbers erster Achtungserfolg lange vor nachtmusizierenden Phantomen und argentinischen Diktatorengattinnen gegeben. Intendant Josef Ernst Köpplinger richtete das mit respektablen Musicalgrößen besetzte Spektakel persönlich ein. Mehr Inszenierung braucht es für die Rocknummernreihe auch gar nicht. Seine Gläubigen bevölkern die Manege, bewegen sich frei im Raum und warten darauf, mit Mirko die Bühne zu erklimmen. Köpplinger kopiert seinen Regieansatz, der bereits beim Mann von La Mancha aufging. Daneben inszeniert er nur einige wenige Choreografien, lässt die Sänger an der langen Leine agieren und verzichtet auf jegliche Kirchenandeutung oder -symbolik. Sein Superstar findet in einem Anti-Ammergau statt.

Es ist die Geschichte eines Menschenfischers und best buddy, beneidet und unverstanden von Judas und schlussendlich durch seine Faszination zum Scheitern verurteilt. Da greift auch der Castingshow-Vergleich, dessen Optik überraschend auf diese Inszenierung passt. Anders als bei anderen Köpplinger-Inszenierungen aber lenkt wenig vom Gesang und der Bühne ab. Allein der Doppeladler an der Bande, der von der Zirkusprinzessin übrigblieb, stört etwas die Stimmung in Jerusalem. Ein paar Mal wuseln die vielen jungen Sänger etwas unorganisiert und verwirrt durch die Manege, ansonsten funktioniert trotz knapper und parallel verlaufender Probenzeit diese Semiinszenierung.

Sie gelingt aufgrund der Atmosphäre der Arena und der gescheiten, effektvollen Beleuchtung von Michael Heidinger, der das Rockspektakel zu einem Blitzlichtkonzert trimmt. Das teils aus Studierenden besetzte, begeisterte und begeisternde Ensemble erzeugt den nötigen drive, den Webbers Melodien verlangen. Eine starke Besetzung steht dem entgegen. Drew Sarich in der Titelrolle meistert die stimmlichen Anforderungen ohne große Einschränkungen und geht sowohl beim Tempeljammer als auch in seiner großen Gethsemaneszene bravourös an seine stimmlichen Grenzen. Mit Soul in der Stimme, viel Talent zur Modulation und farbigem, schattiertem Klang ergänzt diesen Jesus eine schöne Magdalena von Peti van der Velde. Mit klarem Fehlstart und durchweg zu übersteuert leider der Judas von Alex Melcher. Die neue Gärtnerplatz-Allzweckwaffe Erwin Windegger beweist nach dem Dschungelbuch erneut seine Joe-Cocker-Qualität und schlägt als auserzählter Pilatus starke, rockige Töne an. Wie schön eine klassisch ausgebildete Stimme klingt, beweist Holger Ohlmann, der als Kaiphas die dämonischen Tiefen seines Organs auslotet. Mehr Fats Waller als Herodes und darum überzeugend der stimmgewaltige Previn Moore mit seinen drei swingenden Soulgirls Anastasia Bain, Taryn Nelson und Adi Wolf. Ein junges, euphorisches Jüngervolk komplettiert diese Rockpassion.

Aus dem Rücken heraus meistert Bandleader Jeff Frohner musikalisch die Messe. Mit geschwindem Tempo und multifunktional entkommt ihm der Extrachor bei Zeiten, dafür schlägt er am Klavier persönlich beachtliches Gefühl an. Leider hören wir von ihm und dem erneut von der Operette weiterwandernden Gärtnerorchester zu viel. Die Aussteuerung im Zirkus misslingt gerade vor der Pause dermaßen, dass allein Schlagwerk und Lärm beim Publikum ankommen, die Stimmen zugedeckt werden und die Boxen dröhnen. Später wird nachgebessert. Ideal ist diese Tongestaltung allerdings beileibe nicht.

Das stört das begeisterte Musicalpublikum nicht. Nach Kreuzigung und Superstar folgen Ovationen und Jubelstürme für diesen Jesus und seine Gläubigen im recall.

Andreas M. Bräu

Fotos: Christian Zach