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Fakten zur Aufführung 

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
(Marc Schubring,
Wolfgang Adenberg)
22. Februar 2015
(Uraufführung)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Cuvilliès-Theater


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Eiskalte Rokoko-Engel

Diese Liebschaften beginnen mit einer deutlichen Szene. Ein heftig kopulierendes Paar wälzt sich zwischen den Laken unter einem überdimensionalen Deckenspiegel. Die Bettdecke wird dabei nach Hollywoodmanier zurechtgezogen, Publikum steht umher und schnell verabschiedet man sich nach dem knappen musikalischen Höhepunkt. Darauf folgt ein Quintett der Hingelegten.

Diese Affären und deutlichen Bettszenen wiederholen sich im Auftragswerk des Gärtnerplatztheaters, das Intendant Josef E. Köpplinger nun persönlich urinszeniert. Die altbekannte Geschichte des umtriebigen Vicomte de Valmont ist bekannt, der eine sündige Wette mit der Marquise de Merteuil eingeht, bei deren Einlösung auch das Leben der braven Madame de Tourvel in die Brüche geht. Dazwischen Liebschaften und Kabalen im zurückgenommenen Rokokodesign.

Ein großer Wurf ist dem Autorenduo Marc Schubring und Wolfgang Adenberg mit dieser durchkomponierten Vertonung nicht gelungen. Die langen Rezitative ermüden, man sucht nach melodischen Höhepunkten, und das Libretto des oft als Übersetzer tätigen Adenberg wirkt teils wie kuriose Eindeutschungen italienischer Opern aus der Vergangenheit: „Ich sehe doch so erwachsen aus/ sehn mich nach meinem Puppenhaus“. Dafür klingt in den Sprechtexten manches nette Bonmot auf. Nicht gerade Oscar Wilde, doch für ein kollektives Schmunzeln gut. Die Musik klingt verdächtig nach Alan Menken, spart Ensembleszenen und wartet mit eineinhalb Ohrwürmern auf, wobei gerade die langen Duette schleppen.

Köpplinger inszeniert den Stoff zusammen mit Ko-Regisseur Adam Cooper routiniert. Die leere Drehbühne von Rainer Sinell samt dem geschickt eingesetzten Deckenspiegel wird mit sparsamen Möbeln bedeckt und nutzt eine begehbare Projektionsfläche, die Muster, Videos und Stimmungen einspielt. Die Regie setzt wie gewohnt auf Tempo und Umdrehungen, kann die schleppende Parallelhandlung damit aber auch nicht beschleunigen. Einige Fragen bleiben offen: Warum wird die eben durch eine Vergewaltigung Entjungferte mit Rosenblättern berieselt? Und warum aalen sich Knaben während einer Briefszene unter dem Spiegel? Allgemein sparen die Regisseure nicht an deftigen Anspielungen. Szenisch dichter und musikalisch eingängiger versöhnt die zweite Hälfte mit dem bitterbösen Ende der amoralischen Liebelei. Schauwerte bieten Alfred Mayerhofers prachtvolle Kostüme, die mit vielen Wechseln, Reifröcken und Rokokoplunder bestechen.

Bereits im Entstehungsprozess besetzt, wird Anna Montara als Marchise zum Mittelpunkt der Handlung. Mit zwei Glanznummern kann die etablierte Musicalgröße glänzen und bleibt ganz die kühle, desinteressierte Intrigantin. Dabei führt sie die Stimme sicher und klug gelenkt. Spielerisch gefordert und auch in den Läufen solide an ihrer Seite Armin Kahl als Valmont. Wandlungsfähig spielfreudig und stimmlich erfrischend ist das junge Paar mit der Cecile von Anja Haeseli und dem zurückhaltenden Organ von Florian Peters als Danceny. Neben dem präsenten Ensemble sind Carin Filipcic und Gisela Ehrensperger erwähnenswert, die das junge Ensemble mit Spielerfahrung und Präzision bereichern.

Präzise am Taktstock und erfahren als Bandleader, swingt Andreas Kowalewitz durch die neue Partitur, setzt Akzente und hält das Tempo hoch, während er in den Duetten seinen Musicaldarstellern Raum zum Glänzen lässt.

Das Autorenduo wünscht diesen Liebschaften natürlich großen Erfolg über München und die Uraufführung hinaus. Ob dieses Werk in der Musicalliteratur Bestand haben wird, soll sich zeigen. Das Publikum des Gärtnerplatztheaters feiert sämtliche Akteure euphorisch mit standing ovations und Jubelchören für eiskalte Rokoko-Engel.

Andreas M. Bräu

 

Fotos: Thomas Dashuber