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Fakten zur Aufführung 

DIE SCHWEIGSAME FRAU
(Richard Strauss)
28. September 2014
(Premiere am 20. Juli 2010)

Bayerische Staatsoper München


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Schweigen im Mittelpunkt

Oft hört man sie bekanntlich nicht, die schweigsame Frau, die viel verspielter daherkommt als ihre schattenlose Schwester und die übrigen Straussdamen, die zum Festjahr nun auf allen Bühnen neue Aufführungsehren erlangen. Es mutete auch überraschend an, als die Bayerische Staatsoper diesen ausgemachten Schwank 2010 durch die Mitwirkung der Strausskennerin Diana Damrau adelte und im Prinzregententheater inszenierte. Zum Geburtstagsjahr muss die Inszenierung von Barrie Kosky nun runderneuert ins Nationaltheater umziehen. Wohl eher aus Gründen der Vollständigkeit, denn sie passt nicht recht ins große Haus, diese Posse, gerade in der krachledernen Inszenierung des Berliner Intendanten der Komischen Oper. Der Fachmann fürs Deftige liefert eine verspielte Boulevardkomödie mit vielen Lachern, deren zwischen Straussscher Melancholie und pasqualesken Schenkelklopfern hin- und herspringende Stimmung zerfasert.

Kosky nimmt eine leer Shakespearebühne. Zurückhaltend erhebt sich ein Bett allein auf bronzenem Aufbau. Dort oben spielt sich der Schwank ab. Musik- und Lärmhasser Morosus enterbt den Sängerneffen und wird unter Mitwirkung einer Schauspielcompany und seines eigenen Barbiers mit der verkleideten Akteurin Arminta verheiratet, die sich, kaum ist der Segen gesprochen, von der schweigsamen Braven zur wütenden Walküre verwandelt. Morosus lässt sich vom herbeieilenden Neffen erlösen, man versöhnt sich, der Onkel ist geheilt. Diese Heilung gelingt mit humoresker Modernisierung und viel physischer Komik. Zum Wunderheiler aufgestiegen, akupunktiert der Barbier mit viel Verrenkung seinen Patienten, man stolpert und fällt, es wird viel gestampft und um den Bühnenkubus gerannt. Dann erscheint die Schauspieltruppe, eine wilde Mischung aus Zirkus, Oper, Theater und Kuriositätenkabinett in liebevoll gestalteten und kreischbunten Kostümen von Esther Bialas, die sich auch für die Bühne verantwortlich zeigt. Das wohleingerichtete Gewusel und die pittoreske Statisterie füllen den leeren Bühnenraum mit Leben und Aktion. Die bunte Truppe reicht als Schauwert und Gewinn über die triste Bühnenhöhle des Opernhassers.

Der zweite Heiratsakt kommt musikalisch wie inszenatorisch homogener daher. Kosky lässt den Figuren Raum. Ihm gelingt eine präzise Personenregie, und langsam trifft er Strauss‘ tragikomischen Ton, der im dritten Akt im Papageienchaos zurücktritt, bevor endlich wieder Ruhe und Frieden eintreten kann. Teils übersteuert und sehr auf Effekt und Oberfläche getrimmt, hätte diese Comedy-Varieté-Show besser in ein anderes Haus gepasst, gewinnt aber im Figurenspiel einige innige, ehrliche Momente.

Das liegt vor allem und dankbarerweise am komischen Talent von Franz Hawlata. Sein Morosus ist ein wahrlich armer Teufel, ein trauriger Tropf, der zusammengefallen mit Ohrschutz im Bett sitzt und verzweifelt. Stimmlich den schnellen Straussschen Läufen gewachsen, lotet er die tiefen Register seines gewachsenen Basses aus und rührt mit seinen Dankesworten über den Schlafschutz seines Neffen. Mit hübschen Spitzen im Piano an seiner Seite Arminta und Timida von Brenda Rae. Spielerisch und engagiert gelingt ihr die Brave eher als die Wütende, was auch am fehlenden Verve und geringer Kraft des hellen Soprans liegt. Lange belegt, geschont und erst im seltenen Glanzesliebesduett aufgetaut der Tenor Daniel Behle. Seinen Henry vergleicht er mit Rossini, dabei dürfte er durchaus heldischer ausfallen. Enttäuschend, weil veratmet Barbier Nikolay Borchev und solide, jedoch unauffällig bis zurückhaltende Leistungen der Hauskräfte, vor allem vom Tara Erraught. Der Spielbass von Christoph Stephinger sticht dabei positiv als Vanuzzi hervor. Ebenfalls unterfordert der Chor unter Sören Eckhoff.

Das liegt nicht am Pult. Pedro Halffter nimmt diese vielleicht heterogenste Oper von Strauss mit der notwendigen Vielfalt. Krachend und geschwind lässt er die lärmenden Tonmalereipassagen dröhnen, zurückgenommen temperiert er die sanfte Ouvertüre und zeigt Gefühl und Sinn für Geschwindigkeit beim verklingenden Finale, das wieder einmal beweist, dass bei keinem Komponisten solcher Frieden auf der Bühne einkehren wie bei Richard Strauss.

Bei der schweigsamen Frau gelingt dieser Friede nach viel Trubel, wenig Spitzen und einigen Lachern mit der Moral, dass die schönste Musik die ist, die endet.

Das Publikum belächelt die deftigen Lacher. Vermehrt bleiben allerdings Plätze nach den beiden Pausen der Werks leer. Viel Applaus für Dirigat und die schweigsame Frau.

Andreas M. Bräu

Fotos: Wilfried Hösl