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Fakten zur Aufführung 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
(Richard Wagner)
24. Februar 2015
(Premiere 2009)

Royal Covent Garden Opera House London - Gloria Filmpalast, München


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Wagner gewaltig auf der Kinoleinwand

Vor der Kinokasse eine Schlange, am Eingang reges Treiben, auf dem roten Teppich drängt das bunt zusammengesetzte Publikum aus alt und jung in das Foyer. Das Personal schwirrt aufmerksam herum, nimmt die Garderobe in Empfang und reicht ein Glas Sekt mit Himbeere. Eine besondere Stimmung tut sich auf, bevor man in den großen Saal eingelassen wird und sich auf bequemen, breiten, höhenverstellbaren Sitzen niederlässt.

Die Show beginnt, Oper im Kino. Seit einigen Jahren verbreitet sich dieses Format erfolgreich. Den Anfang machte, wie nicht anders zu erwarten, die Met in New York. Andere Häuser folgten, so Covent Garden London, von wo an diesem Abend eine Repertoire-Vorstellung des Fliegenden Holländers mit erlesener Besetzung live übertragen wird.

Es ist eine Umstellung für hart gesottene Opernfans. Statt in engen Reihen, harten Sesseln, dicht gedrängt an seinem Nachbarn sitzend, Sichtprobleme, Unmutsbekundungen bei Flüstern oder raschelndem Auspacken von Lutschbonbons, poppen hier die Weinkorken, feines Tafelsilber kratzt auf Porzellan, wenn von den erwerbbaren Köstlichkeiten während der Aufführung genascht wird. Zur Nachspeise füllt Popcornduft den Raum.

Über allem steht aber auch hier das Erlebnis Oper, das auch in dieser Atmosphäre und Umgebung überzeugt. Die perfekte Technik von Bild und Ton macht hier den Opernabend zu einer neuen überzeugenden Hör- und Seherfahrung. Der Klang ist klar und präzise, metallisch hell, lässt aber die Wärme nicht vermissen. Das Zusammenspiel von Orchester und Stimmen ist am Mischpult fein ausbalanciert. So entsteht eine neue, bisher unbekannte stimmliche Präsenz, Wortverständlichkeit und Gesangsreinheit. Für die Sänger wächst die Anforderung an deren schauspielerische Leistung, denn der Kinobesucher ist ganz anders dabei, verfolgt in zahlreichen Nahaufnahmen Mimik und Gestik. Oper wird zum Film. So wird Richard Wagners Seemannsepos zum packenden Liebeskrimi auf Zelluloid in der Inszenierung von Tim Albery, die durch Daniel Dooner für die Liveübertragung kräftig aufgemöbelt wurde. Medienwirksam geschickt lässt sich das Bühnenbild von Michael Levine ohne großen Aufwand umbauen und mit ausgeklügelter Beleuchtung durch David Finn auch kamerareif in Szene setzen. Taue und viel gelbes Ölzeug symbolisieren die Schiffswelt, eine Plattform mit Fabrikumgebung für Näherinnen wird für den berühmten Chor der Spinnerinnen heruntergelassen und für den Auftritt der gespenstischen Seemannschaft des Holländers klappt die Bühne wie eine Schatulle auf.

Andriss Nelsons erzählt die Geschichte musikalisch im Orchestergraben. Schon die Ouvertüre rüttelt heftig auf. Hier brauen sich die dunklen Gewitterwolken spürbar zusammen, es herrscht konzentrierte Dynamik im Orchester, schwungvoll spielen die Streicher, ihr Strich ist harmonisch und vollmundig, mächtig wirbeln die Trommeln und die Blechbläser integrieren sich weich in den Gesamtklang. Die Technik macht‘s möglich. Bis zum letzten Ton bleibt es bei Nelsons spannend.

Auf der Bühne konzentriert sich alles auf das mysteriöse Liebespaar. Bryn Terfel ist ein heldenhafter, kraftstrotzender Holländer, der nicht wirklich mit seinem Schicksal hadert. Er intoniert fein die Vokale, akzentuiert frisch die Konsonanten, trifft sicher die Töne. Er dramatisiert nicht im Gesang und wirkt authentisch in der Rolle. Männlich, von sich überzeugt, gewinnt er das Vertrauen von Peter Rose – stimmlich sicher und kraftvoll trotz Ansage –  als Daland und die Liebe dessen Tochter Senta – stimmlich einwandfrei Adrianna Pieczoncka. Die Kanadierin zieht mit ihrem Spiel und auch der Mimik den Betrachter in ihren Bann. Ihr Sopran klimmt schnell und ohne jeglichen schrillen Ton in die Höhe, öffnet sich spielerisch leicht und bleibt samten im Klang. Die Augen sprechen, vermitteln Gefühle, die durch die Musik und das gesungene Wort verstärkt werden.

So bleibt es im Saal erstaunlich ruhig, ab und an erlebt man die knisternde Spannung, und am Ende gibt es spontanen Applaus beim Publikum, wie in der wirklichen Oper. Der Kreis schließt sich. Oper kann auch so modern sein.

Helmut Pitsch

Fotos: Clive Barda