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Fakten zur Aufführung 

LA FINTA SEMPLICE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
27. August 2015
(Premiere)

Kammeroper München,
Hubertussaal Nymphenburg


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Erotische Irrwege

Wie fängt man an, dieses Stück zu beschreiben? Ein feydeaueskes Verwirrspiel mit vielen running gags, witzig, spritzig und doch ganz Mozart? Commedia dell’arte pur in moderner Umsetzung!

Der artigen Reihe nach:  La finta semplice heißt übersetzt die falsche Einfältige, ist die erste Opera buffa und abendfüllende Oper von dem 1767 damals elfjährigen Wolfgang Amadeus. Erstaunlich, wie hier schon Anklänge späterer musikalische Motive zu finden sind:  Die Rache-Arien der Königin der Nacht ebenso wie Klänge aus der Entführung aus dem Serail sind deutlich herauszuhören. 

In bester Commedia-dell’arte-Tradition stehen hier fast alle sieben Solisten etwas anderes dar, als das, was sie eigentlich sind, ungeachtet des Geschlechts: Donna Cassandra und Donna Polidora werden von jeweils einem Tenor und einem Bariton gesungen, die Zofe Ninetta tritt als Hauskatze auf, der Knecht Simone als Pferd. Die Hauptdarstellerin Rosina verkleidet sich als Mann, um ihren Spaß zu haben. Nur Giacinta und Fracasso bleiben ihren Charakteren und Geschlechtern treu. Das Resultat: Ein heiteres Verwirrspiel mit Happy-End. 

Bis es aber dazu kommt, lassen sich das eingespielte Team von Regisseur Dominik Wilgenbus und der Arrangeur Alexander Krampe einiges einfallen. Der Originaltext von Carlo Goldoni wurde von Dominik Wilgenbus auf Deutsch bearbeitet – pointiert und witzig zugleich. Dazu kommt ein Feuerwerk an theatralischen, ja fast cineastischen Einfällen, die das junge Sängerteam mit viel choreographischem Können und genauem Timing umsetzt. Die spärliche Bühne von Peter Engel – nur eine Hinterwand mit beweglichen Kästen – wird dennoch gekonnt eingesetzt. Konstant ist ein Kasten als Andeutung einer Funktion im Einsatz – sei es als Tür, Fenster, Schreibtisch oder Einzelzimmer. Bei den modernen Kostümen von Sandra Münchow regiert der Gedanke „think pink!“. Als Referenz zur Commedia-dell’arte-Ästhetik ist die Weiß-Maske und betontes Make-up gedacht, inklusive aufwändiger Frisuren, die sicher sehr viel Haargel und Haarspray verschlungen haben.

Schwer zu sagen, wer im sehr homogenen Ensemble herausragt. Eva-Maria Schmid als Rosina und Don Gisberto entfaltet viel Charme. Die Donna Cassandra von Carl Rumstadt als männerfeindliche Pensionsleiterin mit aufgepolsterten Hüften und klingendem Schlüsselring wirkt sehr überzeugend. Julian Freibott begeistert als baritonale, liebestolle Schwester, die alles nur noch schlimmer macht. Das kommentierende Paar Ninetta – Leonor Amaral als sopranistische Hauskatze hat eine sehr dankbare Partie – und der arme Simone – Clemens Joswig als baritonales Pferd – hat es schwer, ihr alles Recht zu machen. Dagegen tun sich die „normalen“ Partien von Susan Zarrabi als Nichte Giacinta und des quasi-professionellen Verführers Fracasso von Dino Lüthy fast schwer, ihre Interessen durchzusetzen.

Sehr gelungen sind die dazu gedichteten Texte von Dominik Wilgenbus. Gut verständlich resümieren sie das Geschehene einerseits und bringen die Handlung anderseits voran. Sie geben dem Publikum auch die Möglichkeit, einen kleinen Augenblick aufzuatmen, bevor die zehn Musiker des Orchesters wieder musikalisch einsetzen. Hier führt Nabil Shehata mit sicherer Hand das Ensemble über die Mozartschen Klippen.
Der heutigen ungeduldigen Gesellschaft entgegen kommend, wurde die Originallänge von dreieinhalb Stunden auf 150 Minuten gekürzt. Arrangeur Krampe hat den Streichersatz um eine Bratschenstimme zur Vierstimmigkeit erweitert und stellt ihm vier Bläser gleichwertig gegenüber. Während solistische Flöte, Klarinette und Fagott dem Klangbild Serenaden-Charakter verleihen, sorgen das vielseitige Akkordeon und die Gitarre für ein der Commedia dell ́arte sehr zuträgliches Straßentheater-Flair.

„Schwer zu sagen, ob hören oder sehen mir wichtiger war, insgesamt ein großes Vergnügen und sehr kurzweilig”, kommentiert eine Besucherin den erfreulichen Abend.

Zenaida des Aubris

Fotos: Sabina Tuscany