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Fakten zur Aufführung 

LE COMTE ORY
(Gioachino Rossini)
17. April 2015
(Premiere am 12. April 2015)

Bayerische Staatsoper München,
Opernstudio im Cuvilliestheater


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Humor und durchwachsene Musik

Gioachino Rossini hat diese, seine vorletzte Oper in kurzer Zeit aus Melodien und Motiven seines vorhergehenden Werkes, der Reise nach Reims, zusammengestellt und komponiert. Danach hat er sich seiner Koch- und Essleidenschaft hingegeben. Und wie es eben ein guter Koch macht, weiß er genau wie eine Oper „schmecken“ muss und welche Zutaten es benötigt. Viel Inhalt hat die Geschichte nicht, und die Handlung ist einfachst gestrickt. Ein Verführungsreigen, mild gewürzt mit Verwechslung und Verkleidung, gepfeffert mit Eifersucht – hier des ergebenen Dieners Isolier, gesalzen mit etwas Intrige, gestreckt mit Choreinlagen, abgeschöpft mit feinen Arien und Duetten. Parlandi und Secco-Rezitative fehlen, woran man den fortgeschrittenen Meister der Opera Buffa erkennt.

Für Regisseure gibt es viel Freiraum, den man bis hin zu viel Bewegung und auch Klamauk inszenieren kann, wie es den Werken des genialen Gioachino Rossini immer wieder passiert. Die Regie dieser jüngsten Produktion des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper hat der äußerst erfolgreiche, junge Filmregisseur Marcus H. Rosenmüller übernommen. Es ist seine erste Bühnenregie und hat so auch viel Beachtung in der Musik- und Filmwelt bekommen. Er macht aus der komischen Oper eine Milieustudie aus der Pop- und  Rockszene der 1970-er oder 1980-er Jahre. Der Comte ist ein langhaariger, mit großem Schriftzug tätowierter, aber sportlich durchtrainierter, affektierter, von der Frauenwelt angehimmelter Bandleader. Gleich zu Beginn wird der von seinen Musikerkollegen unter Einbezug des Publikums gesucht, und man bekommt als Zuschauer erste Hinweise zum Titelhelden. Erst dann setzt die Ouvertüre ein. Ein märchenhaftes, nebelverhangenes Traumbild erscheint, als sich der Vorhang lüftet – Bühnenbild von Doerthe Komnick –  eine Hängematte zwischen zwei Bäumen baumelt in der Luft. Den Bezug findet man erst am Ende wieder, aber die Bedeutung bleibt offen. Dann Schnitt, ein neues Bild und wir befinden uns im Chateau, kein Schloss, sondern eine eher heruntergekommene Bowlingbar dieses Namens im Keller, in der es neben Kegeln zünftig hergeht und Alkohol nur so fließt. Aus viel Bewegung treppauf, treppab und einer großen Ansammlung von bunt durcheinander gewürfelten Personen, schälen sich langsam die Akteure heraus. Der Comte Ory erscheint im Bademantel, darunter im enganliegenden, einteiligen, glitzernden Hosenanzug. Mit einen Kegelstoß erlegt er alle Kegel, die Damenwelt ist hysterisch hypnotisiert. Sogleich schreitet er an seine skurrilen Wunderheilungen als Teil seiner Verkleidung, um die angebetene Comtesse Adele zu erobern. In sie ist aber auch sein Diener Isolier schmachtend verliebt. Witzige Regieeinfälle geben der Handlung unterhaltsame Nebenschauplätze und lösen im Publikum immer wieder herzhafte Lacher aus. Aber Rosenmüller versteht sein Handwerk und bleibt am Erzählfaden dran.

Im zweiten Akt verschanzen sich die Comtesse und ihre Freundinnen in ihrem Haus und schwören den Männern ab, ohne dabei aufzuhören, an sie zu denken. Gelangweilt aufgereiht sitzen sie im Stiegenhaus und vor dem Fernseher. Der Comte Ory und seine Kumpane bedienen sich einer List und suchen in diesem Haus Zuflucht vor einem stürmischen Gewitter in Nonnengewändern. Hinreißend witzig die Kostümierung, entworfen von Sophia Dreyer. Die Männer erscheinen in der langen Kluft wie die aufgestellten Kegel mit großem, ballonartigem Unterteil, das sie entsprechend in der Bewegung einengt. Am Ende gestaltet der Regisseur noch geschickt das verzwickte Terzett zwischen Comte, Isolier und Comtesse, das das Verhältnis zwischen den Dreien im Unklaren lässt.

Unklar ist auch die musikalische Interpretation der jungen Dirigentin Oksana Lyniv. Sie zeigt zum fortwährenden Ulk auf der Bühne wenig Dynamik und wirkt sehr konzentriert auf die Einsätze bedacht. Das Orchester bekommt wenig Schubkraft für die Rossini-typischen, schmissigen Orchesterpassagen und unverwechselbaren Melodien.

Dieser Auftrieb fehlt den jungen Sängern, die mit viel Leidenschaft und Freude am Spiel den Abend gestalten. Petr Nekoranec zeigt seinen frischen, in allen Lagen sicheren und ausgeglichenen, schönklingenden Tenor in der Titelrolle. Ebenso verfügt Anna Rajah über einen kräftigen Sopran, der in den Koloraturen holprig wirkt. Marzia Marzo wirkt in der Hosenrolle des Dieners gekonnt männlich. Stimmlich schmettert sie die hohen Töne manchmal dramatisch hart. Aber sie findet die lyrischen Akzente im Duett mit Adele und im anspruchsvollen Finalterzett. Leonard Bernad läßt sich zu Beginn krankheitsbedingt ansagen, erfüllt aber seine bedeutende Rolle als Gouverneur in Gesang und Spiel gut. 

Das Publikum ist an diesem Abend erfreulich dicht mit Jugend besetzt, die herzhaft und eifrig den talentierten Freunden oder Kollegen applaudiert. Die gelungenen Gags werden begeistert aufgenommen, und die doch selten gespielte Oper bekommt viel Anerkennung. 

Helmut Pitsch

Fotos: Wilfried Hösl