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Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
18. Juni 2014
(Premiere)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Prinzregententheater


Points of Honor                      

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Der Gott des Gemetzels

Dieser Triumphmarsch entlarvt die Siegesfeier eines vorangegangenen Krieges auf drastischste Weise. Keine Freudenprozession, keine Weihemädchen, keine Geschenke und keine Freude am Frieden. In Torsten Fischers krasser Deutung der überschwänglichen Verdi-Klänge kehrt der Krieg am Moment des Triumphes zurück: Blutverschmiert metzgert sich der Mörder Radamès durch ein Leichenfeld. Die Untoten erheben sich und werden den Siegern vorgeworfen. Anstatt eines Balletts nur ein Tanz mit dem Maschinengewehr und flüchtende, heimatlose Massen.

Diese Uminterpretation des sicherlich beliebtesten posaunenträllernden Opernmomentes der Aida bricht strategisch mit den Sehgewohnheiten und gibt den Ton dieser schonungslosen Inszenierung an. Fischer tilgt mit seiner aus Klagenfurt nun nach München importierten Produktion jegliche Form von exotischem Liebesreigen und enthebt das ägyptische Märchen von Kitsch und Menschlichkeit. Er arbeitet mit wohlbekannten Bildern wie dem geschwenkten Maschinengewehr, sonnenbebrillten Diktatoren und uniformierten Völkern, die gegeneinander zur Vernichtung antreten. Nordkorea in Armani, viel Zeitkritik und ein armer entrückter König, der auf seinem Thrönchen sitzt und neue Gewalt absegnet. Man muss dieser Lesart nicht folgen, sie polarisiert. Doch in ihrer Schonungslosigkeit und handwerklichen Schlüssigkeit überzeugt dieses böse Konzept einer an sich wunderschönen Liebesgeschichte. Das Paradox aus musikalischem Schönklang und harschem Libretto hat Verdi schließlich zu seltener Meisterschaft geführt. Aida wird konsequent als ätherische Traditionalistin, anfangs in Burka, präsentiert, die früh schon beim celeste absehen kann, was aus ihrem Geliebten werden wird, zieht er in den Krieg gegen ihr Volk. Der Feldherr verzweifelt an seinem Gemetzel für Gott und den König, steht zwischen allen Stühlen und wird von der systemtreuen Braut Amneris im verstörenden Hochzeitskleid ebenso manipuliert wie von Aida und Amonasro, dem terrorerprobten Untergrundkönig. Die Kostüme von Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer unterstreichen mit dunklen Anzügen und uniformierten Damen diesen kühlen Systemcharakter der Autorität. Allein der Pharao mit trauriger Krone und polierten Schuhen erhebt sich optisch von der Masse der Täter, die er leitet, denen er aber längst entrückt ist. Metaphorisch gestaltet wird das auch eindrucksvoll im Bühnenbild, das ebenfalls das Herrengespann verantwortet: Ein isolierter Hochglanzmetallraum, an drei Seiten zu öffnen fungiert als sterile Thronhalle, Gefängnis und Grab zugleich. Im Hintergrund eine eindrucksvoll ausgeleuchtete, von Wieland Müller-Haslinger konzipierte Horizontfläche, in der sich der Krieg abspielen wird. Die helle Morgensonne aber verspricht nichts Gutes. Allein wenn sich eine Gitterfläche zum notwendigen Grab des Finales senkt, während König und Priester stille Zuschauer und unnötigerweise selbst Opfer des Endes werden, verkünstelt sich Fischer optisch und mit dem Holzhammer politisierend, was diese hemmungslose und starke Aida gar nicht nötig gehabt hätte.

Denn es überzeugen die hervorragenden Kräfte, die, dem Umbaubetrieb geschuldet, glücklicherweise aus durchweg starken Gästen rekrutiert werden. Mit einem eigenen Ensemble hätte diese Aida wohl nicht auf diesem Niveau gestemmt werden können. So aber glänzt Radamès Gaston Rivero vollmundig, zupackend mit klaren Höhen am Anschlag und nur leichten Problemen in der Mittellage als spielerisch überzeugender Blutsäufer mit prallem Tenor. Selten wurde die an sich eindimensionale Figur des Feldherrn so gewandt und ambivalent auserzählt und dabei auf jeden Heldenschick verzichtet. Neben ihm vor der Pause noch spröde, doch im Duett großartig Amneris Monika Bohinec, die die Klangfülle ihres Mezzo voll auskostet und doch in den tiefen Lagen die schönsten Momente erzeugt, während sie verbittert und eindrucksvoll auf der Bühne zusammenbricht. Ebenfalls zunächst verschlossen, dann zu kraftvollem Bariton erwachsen der düstere Täter Francesco Landolfi als Amonasro. Unerreicht aber die junge Koreanerin Sae Kyung Rim als schonungslose Aida. Spielerisch zwischen Weiblichkeit und Familie, zwischen Liebe und Religion, Feind und Heimat sichtbar hin- und hergerissen, geht ihr dramatischer Sopran mühelos die gewaltigen Kapriolen dieser Partie mit. Ihre Stimme leidet, hofft, kämpft und liebt nuanciert und mit Strahlkraft. So entsteht ein warmer Klang der Verzweiflung. Komplettiert durch die erfahrenen Hauskräfte mit einer gesetzten und routinierten Elaine Ortiz Arandes als Thermouthis und dem vielseitigen Holger Ohlmann als König sowie den aus dem Chor aufgestiegenen, ordentlichen Boten Stefan Thomas steht da ein Ensemble, dass dem sogenannten Zweiten Haus Münchens erstklassig Ehre macht.

So auch der Chor, der auf hohem Niveau hier die beste Leistung seit langem abliefert. Chormeister Jörn Hinnerk Andresen hat die Kräfte samt Verstärkung im Griff, und die Regie bietet ihnen nicht nur musikalische Spielfläche. Wenn das Chorheer die Herrenstatisterie demütigt, überzeugen diese Sängerdarsteller ebenso wie in den fordernden Massenpartien dieser überdeutlichen Choroper.

Über allem im Graben: Generalmusikdirektor Marco Comin mit sichtbarer Freude für Verdi. Ein wenig zu sehr kostet er den Aida-Wumms aus, was auch an der schwierigen Akustik des Prinzregententheaters liegen mag. An einigen Stellen wünscht man sich einen Lautstärkeregler. Dabei führt Comin seine Bläser ebenso galant wie die Sänger zusammen, flechtet aus Chor und Orchester den nötigen Verdi-Überwältigungsteppich und erkennt die stillen Momente dieser Bombastoper. Jedoch steht er Verona näher als dem dröhnenden Prinzregententheater. Doch sein Enthusiasmus wird belohnt.

Das schon ab dem ersten Akt applausfreudige Publikum ehrt mit Bravo- und Klopfkonzert vor allem Bohinec und Rim sowie das Regieteam einer harten aber guten, entstaubten und romantikbefreiten Aida.

Andreas M. Bräu

Fotos: Christian Zach