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Fakten zur Aufführung 

EIN MASKENBALL
(Giuseppe Verdi)
11. September 2015
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Mönchengladbach


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Erfrischend schön gestorben

Wenn der Oberbürgermeister als erster in der neuen Spielzeit allein die Bühne betritt, um diese neue Saison zu eröffnen, dann setzt er ein Zeichen. Und wenn Hans Wilhelm Reiners, CDU, seit vergangenem Jahr im Amt, ausdrücklich der Intendanz und ihrem Team dankt, ist das durchaus ein politisches Signal. Nach erfrischend kurzer Rede begibt er sich wieder auf seinen Platz. Parkett Mitte. Noch ein Statement. Das geht ja gut los in Mönchengladbach.

Trotzdem der örtliche Fußballverein ein Heimspiel hat, ist das Theater so gut wie ausverkauft. Allerdings tritt das Haus auch mit seiner Spitzenbesetzung an, um den Maskenball von Giuseppe Verdi in einer neuen Inszenierung von Andreas Baesler auf die Bühne zu bringen.

Der Regisseur verlegt die Handlung aus Boston in das Oval Office im Washington der 1960-er Jahre. In diesem Sinne hat Hermann Feuchter seine Bühne geschaffen. Ein ovaler Raum, der allerdings offensichtlich im Erdgeschoss angesiedelt ist. Rechts und links vorne zwei Flügeltüren, links im Hintergrund drei überdimensionale Fenster, hinter denen die Dekoration in jedem Bild wechselt. Rechts wahlweise ein Kamin oder im dritten Bild ein Aquariumsfenster. Die Umbaupausen sind auf eine erträgliche Länge begrenzt. Die einzelnen Bilder sind schön und überlegt gearbeitet und atmen ganz die Mischung aus Mief und Luxus der amerikanischen 1960-er Jahre. Auch die Kostüme von Caroline Dohmen sind stimmig ausgewählt. Ausgerechnet die Perücke von Amelia ist allerdings – man kann es nicht anders sagen – grottig. Baesler verzichtet auf spektakuläre Einfälle, auf große Aha-Effekte. Stattdessen arbeitet er die Inszenierung sehr sauber und schlüssig. Kleinere Gags wie die Micky-Maus-Masken auf dem Ball sorgen für schöne Bilder. In der Personenführung muss der Regisseur offenbar den Spagat zwischen einer bühnenbildbedingt eher unzulänglichen Akustik und dem Rampengesang finden, was überraschend oft gelingt.

Bei den Solisten gibt es durchgängig vom Feinsten. Dass Tenor Michael Siemon als Riccardo – im Aussehen sehr nah an Kennedy – zugunsten einer sauberen Technik oftmals auf den emotionalen Aspekt verzichtet, hemmt ein wenig die Begeisterung. Auch wenn er seinen Tod auf erfrischende Weise „natürlich“ und vor allem nachvollziehbar spielt und singt, auf verstaubten Pathos verzichtet und damit letztlich das Publikum verzaubert. Izabela Matula spielt und singt eine eindrucksvolle Amelia und empfiehlt sich mit dieser Leistung auch für größere Bühnen. Aus der „Zigeunerin“ Ulrica wird eine afroamerikanische, „einem Naturglauben verbundene Wahrsagerin“. Also verkleidet Eva Maria Günschmann sich bis zur Unkenntlichkeit, verkündet gerade damit ihre Spielfreude und singt wie immer überzeugend. Eine Überraschung bietet Sophie Witte, für die Baesler aus der Hosenrolle des Oscar eine Frauenrolle geschaffen hat. Bei gewohnter Einsatzfreude kommt sie mit ihrer schönen Stimme in der Mittellage kaum über den Graben. Ganz im Gegensatz zu Johannes Schwärsky, der als Renato seinen Bariton großartig ausspielt, sowohl was Stimmgewalt als auch Verständlichkeit angeht. Auch die übrigen Rollen bieten keine Ausfälle. Maria Benyumova sorgt einmal mehr dafür, dass der Chor Höchstleistungen erbringt.

Generalmusikdirektor Mikhel Kütson feiert mit dem Dirigat seinen Geburtstag. An dieser Stelle auch herzliche Glückwünsche von Opernnetz. Und so liefern die Niederrheinischen Sinfoniker eine insgesamt ordentliche Leistung ab, wenngleich dem gemeinschaftlichen Musizieren ein wenig die Italianità abgeht, die man sich bei Verdi so dringlich wünscht.

Ein überaus gelungener Spielzeit-Auftakt, der auch dem Publikum gefällt, das nicht nur den Arien, sondern vor allem auch den Sängern und dem Leitungsteam langanhaltend applaudiert. Das Theater Krefeld Mönchengladbach hat mit dieser Eröffnung einmal mehr bewiesen, dass hochwertige Produktionen längst nicht mehr nur in den Metropolen stattfinden. Wer Frau Netrebko in der Met erleben will, soll das unbedingt tun. Wer Oper auf höchstem Niveau in der gemütlichen Atmosphäre eines Theaters „in der Provinz“ genießen will, muss nach Mönchengladbach-Rheydt reisen. Wer von beiden mehr erlebt, bleibt an dieser Stelle unentschieden.

Michael S. Zerban







Fotos: Matthias Stutte