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Fakten zur Aufführung 

THE BLACK RIDER
(Tom Waits)
19. September 2014
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Mönchengladbach


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Schön schräg

Inzwischen gehört The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets zu den durchaus häufiger gespielten Stücken. Verständlich, denn im Grunde ist es ein sehr dankbares Werk. Es verlangt vergleichsweise wenig Aufwand, bietet großartige Rollen und eine fantastische Musik. Der Regisseur und sein Team allerdings sind bis zum Äußersten gefordert. Will man die Schrägheit des Stücks auf die Bühne bringen, braucht es schon eine Menge Fantasie und sehr viel Sorgfalt, um nicht in Comedy und Slapstick abzugleiten.

Jetzt ist The Black Rider auf der Bühne des Theaters Mönchengladbach angekommen, nachdem es bereits in der vergangenen Spielzeit im Theater Krefeld Premiere feierte. Regisseur Frank Matthus geht es unverständlich an. Zunächst ist der Soundtrack eines vorbeirasenden Autos zu hören, das zurückkehrt und bei einer neuerlichen Runde verunglückt. Derselbe Geräuschhintergrund wird noch einmal bei Käthchens Tod zu hören sein, ohne dass es deshalb schlüssiger wird. Neben einigen weiteren Ungereimtheiten bemüht sich Matthus erst gar nicht, den Mythos um Tom Waits, Robert Wilson und William S. Burroughs auf die Bühne zu bringen. Stattdessen konzentriert er sich auf das Musical. Eine durchdachte Personenführung lässt nicht eine Sekunde Langatmigkeit aufkommen. Für – unfreiwillige – Komik sorgt immer mal wieder die Bühne. Hier war ein Tausendsassa am Werk: Johanna Maria Burkhart hat sich in Personalunion um Bühne, Kostüme, Video und Maske gekümmert. Der Vorteil solchen Arrangements ist, wenn es denn funktioniert, dass alles aus einem Guss wirkt. Bei Burkhart funktioniert es. Basis ist eine leere Bühne, die Band sitzt im halboffenen Graben. Projektionen in Verbindung mit einer einfallsreichen Lichtregie schaffen immer neue Räume, Stoffbahnen imaginieren einen Wald und hereingeschobene Requisiten wie ein silberfarbenes Pferd oder auch nur ein fahrbarer Sessel unterstreichen markant die Handlung. Am wirkungsvollsten neben sehr fantasievollen, charakterisierenden Kostümen ist die Maske. Abgedrehte Perücken, Clownsbrauen und eine Andeutung von Sinnlichkeit bei den Männern unterstreichen den bizarren Kosmos, der bei Matthus erst ab der Wolfsschluchtszene richtig Fahrt aufnimmt. Dann aber geht die Post richtig ab, und dem Regisseur gelingt es, die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten.

Dazu tragen auch die Schauspieler bei, die für echtes Musical-Feeling sorgen. Selbst Henrike Hahn, die mit einer schweren Erkältung zu kämpfen hat und deren Gesang deshalb von Anja Stange von der Seite übernommen wird, kann zu hundert Prozent überzeugen. Adrian Linke gibt einen elegant-dämonischen Stelzfuß, der mit seiner Stimme nah genug an Tom Waits herankommt, um das Publikum zu begeistern. Wilhelm wird von einem fabelhaften Paul Steinbach gezeigt, der selbst die blödsinnigsten Einfälle noch überzeugend auf die Bühne bringt. Daniel Minetti überzeugt als Förster Bertram vor allem mit seinem Solo, in dem er seine Drogenmetapher ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Spannung von einem Sessel aus rüberbringt. Seine Frau Anne wird von Esther Keil glaubhaft überzogen gespielt und gesungen. Cornelius Gebert zeigt einen musicaltypisch-schmierigen Entertainer, der genau so gefällt. Ein besonderes Lob gebührt der Statisterie, die hier in der Choreografie von Ralph Frey deutlich über ihre eigentlichen Aufgaben hinauswächst und wesentlichen Anteil am Erfolg des Abends hat. Da ist es nur konsequent, dass es beim Applaus keine zwei Reihen gibt.

The Kill Young Devil Band unter der Leitung von Jochen Kilian liefert eine großartig authentische Musik ab, auch wenn es hin und wieder Schwierigkeiten mit der Balance gibt. Da der Regisseur beim Publikum fortgeschrittene Englisch-Kenntnisse voraussetzt, deshalb keine Übertitel einsetzt und die Übertragungstechnik immer mal wieder versagt, muss das Publikum hie und da auf die Verständlichkeit verzichten.

Gerade der englische Titel des Stücks mag aber dazu beigetragen haben, dass sich auch Schülergruppen zur Premiere eingefunden haben, denen das „schräge Theater“ ebenso gefällt wie den älteren Theatergängern. Sind „die Alten“ in der Pause noch durchaus skeptisch ob der gewollten Komik, feiern sie gemeinsam mit den Jungen am Ende begeistert und mit stehenden Ovationen eine überzeugende Gesamtleistung.

Michael S. Zerban







Fotos: Matthias Stutte