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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauss)
1. März 2015
(Premiere)

Südthüringisches Staatstheater Meiningen


Points of Honor                      

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Per Bahn zur Fledermaus

Warum soll Die Fledermaus, die berühmte Operette von Johann Strauss, denn immer in Wien spielen? Das Meininger Theater verlegt sie bei der bejubelten Inszenierung von Joachim Schamberger nach Thüringen, genauer auf die Eisenbahn in die Zeit der alten Dampfloks und lässt sie gemütlich nostalgisch durch den Thüringer Wald brausen, wobei man sich für die Umbaupausen auch anderer Strauss-Musiken bedient. Im angehängten, plüschigen Salonwagen kann dann das exklusive Fest des Prinzen Orlovsky stattfinden, und wo der Zug hält, befinden sich die anderen Stationen der turbulenten Handlung. Dank der gelungenen Bühnenbilder von Helge Ullmann kann der Zuschauer in die Atmosphäre am Ende des 19. Jahrhunderts eintauchen.

Zunächst aber, während der Ouvertüre, unter der Leitung von Arturo Alvarado mit zupackender Kraft von der Meininger Hofkapelle gespielt, erfährt das amüsierte Publikum, warum das Werk so heißt, also die Vorgeschichte. Da wird nämlich der sturzbesoffene Dr. Falke, der stets freundlich auftretende Stan Meus, ein heller Tenor, von seinem Freund Gabriel von Eisenstein bewusst auf dem Bahnhof von Meiningen „vergessen“. Das Pikante daran: Er ist bis auf die Fledermausflügel-Konstruktion nackt und somit dem Gelächter der Reisenden auf dem Bahnsteig ausgeliefert. Also schwört Dr. Falke Rache. Die stellt letztlich alle Beteiligten bloß. Sie entsprechen nämlich keineswegs dem, was sie vorgeben zu sein, sind weder treue Ehegatten noch braves Dienstmädchen noch biederer Gefängnisdirektor, und auch die Hosenrolle des schillernden Prinzen Orlovsky gibt Anlass zum Nachdenken. Dass Strauss und sein Textdichter Richard Genée in der Operette unterschwellig Kritik am bürgerlichen Normverhalten übten, fiel auch der Zensur 1874 auf, und sie bestand auf der Streichung oder Änderung brisanter Passagen. Dennoch steckt immer noch einiges an aufrührerischem Potenzial im Finale des zweiten Aktes, wenn etwa die Festgesellschaft den Champagner als Majestät anerkennt und in schönster Melodieseligkeit mit Brüderlein und Schwesterlein eine klassenlose Gesellschaft beschwört. Auch der Wunsch der Protagonisten, mit einer Verkleidung oder der Anmaßung eines Titels auf der gesellschaftlichen Leiter mindestens eine Stufe höher zu steigen, wird lächerlich gemacht.

Doch alles sollte nicht zu ernst, sondern mit Humor genommen werden. Oberflächlich betrachtet ist die Handlung reinstes Amüsement. Schon mit den prächtigen Kostümen von Kerstin Jacobssen, die der abwechslungsreich bewegte, homogen singende Chor, einstudiert von Sierd Quarré, im Salonwagen trägt, wird ein freundlich nostalgischer Schein über alles gelegt; verstärkt wird das noch durch die Musik. Im ersten Akt wird das Publikum quasi als Voyeur bei einer heimlichen Kameraführung mitgenommen durch die Straßen Meiningens direkt ins großbürgerliche Heim derer von Eisenstein.

Dort wird gerade Hausherrin Rosalinde bedrängt von ihrem verflossenen Liebhaber Alfred, einem hübschen, schmalzigen Sänger, der seine Stimme ständig laut, aber nicht immer richtig erschallen lässt und den Daniel Szeili herrlich unverfroren gibt. So hat er es sich durch seine Zudringlichkeit selbst zuzuschreiben, dass er in den Armen seiner ehemaligen Geliebten statt des Hausherrn verhaftet wird. Der aber hat gerade Besseres zu tun, als ins Gefängnis zu wandern; er geht nämlich auf den Ball des Prinzen als stolzer Marquis; Michael Heim gibt ihn im Gefühl des erfolgreichen Frauenhelden mit angenehmem Tenor. Als das Haus nun leer ist, kann auch Rosalinde zum Ball, in der Verkleidung einer geheimnisvollen ungarischen Gräfin; Sonja Freitag, geziert kapriziös, gefällt dabei mit ihrem großen, strahlenden Sopran. Aber auch für Dienstmädchen Adele eröffnet sich die Freiheit: Mit dem „geliehenen“ Kleid ihrer Gnädigsten entschwirrt sie, in Begleitung ihrer Schwester Ida, Cordula Rochler, zum selben Fest, um dort als viel versprechende Schauspielerin Olga zu reüssieren. Monika Reinhard begeistert durch ihr munteres, keckes Spiel und ihren klaren, höhensicheren Sopran, vor allem im berühmten Couplet im dritten Akt. Auf dem Ball wirft sie sich gleich an die breite Brust von Gefängnisdirektor Frank, Ernst Garstenauer mit profundem Bassbariton, der dort als Chevalier auftritt. Prinz Orlovsky ist nur schwer zu amüsieren, lädt sich aber trotzdem gern Gäste ein; Carolina Krogius gibt diesen seltsamen jungen Mann eher trauerumflort, schwermütig, und ihr runder Mezzosopran passt gut zu dieser Rollenzeichnung. Erst im dritten Akt, als alle im fidelen, verlotterten Gefängnis ankommen, scheint dieser Orlovsky sich ein Lächeln abzuringen. Denn dort geht es wild her; das vom Alkohol umnebelte, trottelige Faktotum Frosch, Peter Bernhardt, soll dieses Durcheinander bewachen, und er vermeidet es, daraus eine billige Klamotte zu machen. Vielmehr ist feiner Humor angesagt. Und so sind alle ein wenig beschämt, als sie ihre falschen Identitäten eingestehen müssen. Ob die Reue lang vorhält?

Das Premierenpublikum jedenfalls ist höchst erfreut über diese witzige, lebendige und in vielem überraschende Aufführung und feiert sie mit langem, herzlichem Beifall.

Renate Freyeisen

 

Fotos: foto-ed