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Fakten zur Aufführung 

MITRITDATE, RE DI PONTO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
19. Juli 2014
(Premiere am 13. Juli 2014)

Nationaltheater Mannheim


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Lieber tot als vernünftig

Ein machtbewusster Mann zieht in den Krieg. Sieg sieht anders aus. Der Totgeglaubte kehrt heim und tobt sich an den Söhnen aus. Denn die begehren seine wunderschöne Verlobte Aspasia. Außerdem sind sie politisch unterschiedlicher Meinung. Appeasement-Politik gegenüber dem militärisch brutalen Rom, oder Kampf bis zum Untergang? Ein intriganter Haushofmeister bringt zusätzliche Verwirrung ins bittere Spiel, während Aspasia beinahe den Giftbecher leer trinkt, um ihren Gefühlen zu entfleuchen. Mitridate geht im Kampf gegen Rom unter und verzeiht seinen Söhnen im letzten rezitativischen Röcheln.

Du liebe Zeit, was hat sich der 14-jährige Mozart mit der Seria-Oper Mitridate, Re di Ponto zugemutet, wo die doch um 1770 auch schon langsam ihr Leben aushaucht? Aber das Stück ist beim Mannheimer Mozartsommer im Schloss Schwetzingen ein gutes Beispiel dafür, wie man aus einem eigentlich in der Versenkung abgetauchten Werk Funken schlagen kann, die Spannung und Faszination erzeugen. Das liegt einerseits an der Musik, die der hoch gelobte George Petrou mit dem Nationaltheater-Orchester bewusst kantig, griffig und mit Biss aufstellt, und zum anderen an der Inszenierung von Nicolas Brieger.

Der war vor einem Vierteljahrhundert Schauspieldirektor am Nationaltheater und lässt seine Opernfiguren mit menschlich einsehbaren Emotionen auftreten. Mitridate, der geschlagene Held, hält sich im Privaten schadlos, wenn er, wutentbrannt und vom Kokain befeuert, seine Söhne meucheln will. Denn Farnace und Sifare sind in Liebe entbrannt. Zu Aspasia, die war aber ihm selbst versprochen. Brieger lässt die Söhne in asiatischer Samurai-Montur auftreten; die Bühne von Raimund Bauer imaginiert hinter einem Raster-Netz den Übervater, davor können metallische Rechteckelemente einschließlich Käfighaltung für den angeblichen Verräter Farnace variabel geöffnet oder als Ganzes geschlossen werden. Sieht schlicht aus, ist aber kunstvoll gemacht. Am Ende bricht die Feuersbrunst über die Stadt herein und Mauerquader purzeln auf die Bühne. Ein knackiges Schlussensemble bekräftigt das Ende. Gut gemacht, Mozart, doch der Geniestreich des Buben wird von seinen späteren Opern deutlich übertroffen.

Aspasia wird von Cornelia Ptassek dargestellt. Die attraktive Sopranistin spielt hinreißend eine von ihren Gefühlen hin- und hergerissene Frau; sängerisch bleibt sie seltsamerweise einiges schuldig, wenn sie Spitzentöne schrill und hart ansteuert und Koloraturen etwas unsauber angeht. Aber ihre Mittellagen und lyrischen Elemente sind betörend, wie es ihre Fans im Nationaltheater gewohnt sind. Als Sifare muss Zvi Emanuel-Marial passen. Er spielt, doch seine Altus-Stimme wird aus dem Graben von der Mezzosopranistin Mary Ellen Nesi ersetzt. Das funktioniert insofern großartig, als die Sängerin durch Stimmführung, Ausdruck und Substanz zum Star des Abends wird.

In der Titelfigur trumpft der Tenor Mirko Roschkowski auf, denn seine Farben von innigem Selbstzweifel bis unstillbarem Groll sind perfekt gesetzt. Ismene, auch sie liebt heftig, ist bei Eunju Kwon mit hell-lichtem Sopran sehr gut aufgehoben; Clint van der Linde bringt für den Farnace einen gut timbrierten, ausdrucksfähigen Counter für seine herrlichen Arien auf die Bühne; Onur Abaci, ein Sopranist, gibt dem Arbate das angemessene, tuntige Intriganten-Muster, und David Lee singt den römischen Legaten Marzio mit herrischem Tenor-Profil.

Das Publikum ist begeistert, bedenkt aber die Solisten mit differenziertem Beifall.

Eckhard Britsch

 

Fotos: Hans Jörg Michel