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Fakten zur Aufführung 

LA DAMNATION DE FAUST
(Hector Berlioz)
17. April 2015
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


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Ein Wrack von einem Mann

Dieser Mann gehört ins Pflegeheim. Wirr, ungepflegt und von Erinnerungen gequält, tapert er durch die Stube. Seine Suppe mag er nicht, aber gegen den strengen Aufseher Mephistopheles, die Inkarnation seines strengen Vaters, wehrt er sich nicht. Pflegerin Margarethe mit gestärkter Schürze geht ihm zur Hand, wenn er es allein nicht mehr ins ungemachte Bett schafft. Mein Gott, ein richtig armer Teufel, der Mitleid erregt. Der Blick nach außen ist ihm verwehrt, allenfalls durchs Schlüsselloch kann er linsen. Er hat auch einen Namen: Faust, und sein Leben, das an ihm vorüber zieht, besteht aus Ungereimtheiten und Erniedrigungen. Schon in der Kindheit geht es streng zu, in der Schule wird es nicht besser und beim Militär wird er von den Kameraden gedemütigt. Sein Blick zurück wird zur quälerischen Selbstaufgabe.

Im Nationaltheater Mannheim erlebt La damnation de Faust von Hector Berlioz eine Produktion, in der Regisseur Vasily Barkhatov der Titelfigur beklemmende Züge gibt, denn der dominante Vater und der frühe Verlust der Mutter summieren sich bei einem in sich unsicheren Menschen: Faust bleibt, ungeschützt, nur eine verkorkste Vita. Gezeigt wird das im geometrischen Rahmen, der von Türen begrenzt wird. Die Pflegerin taucht auf, geht ab, für Faust fast nur noch Trugbild, dem er nicht einmal mehr eine wirkliche Obsession widmen kann. Bei Bedarf öffnet sich von hinten eine verschiebbare Schachtel als Tor zu seinen Erinnerungen. Zinovy Margolin gliedert seine Bühnengestaltung durch klare Geometrie und derangierte Versatzstücke, zum Beispiel ein Wald aus abgestorbenen Stämmen. Das wirkt einsichtig und strukturiert, während die Personenführung gelegentlich in uniformer Bewegung erstarrt, denn Faust ist ein Wrack, zu nichts mehr fähig.

Gesungen wird in französischer Sprache stark. Martin Muehle gelingt als Faust eine darstellerisch fabelhafte Leistung, sein stabiler Heldentenor hat Farbe und stabile Höhe, wirkt nur anfangs im französischen Idiom etwas unsicher. In der Charakterrolle des Mephisto-Méphistophélès setzt Karsten Mewes seinen heldisch veranlagten Bariton ganz in den Dienst einer erdrückenden Vater-Lehrer-Aufseher-Figur, beängstigend intensiv, Faust kann sich nicht wehren. Marie-Belle Sandis hat einen formschönen Mezzo für die Margarethe-Marguerite anzubieten, ihre Gefühle für Faust sind eher mütterlich, denn in Sachen Eros findet sie anderweitig flüchtigen Ersatz. Sabrina Herzog verkörpert als Schulmädchen eine weibliche Projektionsfläche für männliche Begierde; das Sopransolo von Estelle Kruger und Sung Ha als Brander sind überzeugend.

Alois Seidlmeier und das Nationaltheater-Orchester musizieren mit intensivem Ausdruck und schwungvollen Akzenten. Die Koordination mit den Chören glückt nicht immer perfekt.

Die Premiere der selten im Repertoire auftauchenden Oper stößt auf ungeteilten Beifall.

Eckhard Britsch

 

Fotos: Hans Jörg Michel