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Fakten zur Aufführung 

SIMON BOCCANEGRA
(Giuseppe Verdi)
5. und 6. November 2014
(Premiere und Folgevorstellung)

Teatro alla Scala, Milano


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Die Gunst des Alters

Simon Boccanegra gilt als eines der Hauptwerke des italienischen Komponisten, ist aber erst seit den 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder vermehrt auf den Spielplänen der Opernhäuser zu finden. Diese Oper begleitete Giuseppe Verdi über viele Lebensjahre, und erst im Alter von 70 Jahren gelang dem Werk der Durchbruch in einer neuen Fassung, nachdem es 40 Jahre vorher bei der Uraufführung in Venedig durchfiel. Besonders überzeugend gestaltet der Komponist die musikalische Umsetzung der Leiden und erlösenden Erfüllung des alternden Dogen Simon Boccanegra. Man erkennt die kompositorische Entwicklung Verdis und die spätromantischen Einflüsse auf seine Musik. Das Libretto überarbeitete sein Vertrauter der letzten Lebensjahre, Arrigo Boito. Die Geschichte handelt von unerfüllter, verbotener Liebe, unerbittlichem Hass, Erlösung durch eine strahlende Jungfrau und höfischer Intrige, der am Ende die Titelfigur erliegt.

Italiens nationaler Stolz, das Teatro della Scala zeigt derzeit eine Neuinszenierung des Simon Boccanegra in zwei ausgewählten Besetzungen, jeweils dominiert von einem Altmeister des Baritonfaches, Leo Nucci und Plácido Domingo. Die spartanische Inszenierung stammt von Frederico Tiezzi mit einfachen, stimmungslosen Bühnenbildern von Pier Paolo Bisleri. Etwas prächtiger und bunter die historischen Kostüme von Giovanna Buzzi. Viel passiert nicht in der Personenregie. Müde Volksaufstände, begleitet von an Schiffsseilen turnenden Matrosen, starre Senatssitzungen und steife Helden, die kaum miteinander in Bewegung treten. So bleibt die Aufmerksamkeit bei den Solisten.

Die Premierenbesetzung ist geprägt von Leo Nucci in der Titelrolle. Er zeigt mit seinen 72 Jahren keine stimmlichen Ermüdungen. Sicher, kräftig und vollmundig wirkt seine weiche Stimme, die er mit einem väterlich ausgeprägten Rollenspiel verbindet. Alexander Tsymbalyuk ist ein stimmgewaltiger, in der Statur mächtiger Gegenspieler Jacopo Fiesco. Vitaliy Billyy bringt nicht minder Dramatik in sein intrigantes, selbstsüchtiges Spiel des Paolo, das er stolz gefesselt beendet. Carmen Giannattasio und Ramon Vargas stellen das junge heldenhafte Liebespaar Amelia Grimaldi und Gabriele Adorno da. So kommt ein mädchenhaft unschuldiger Sopran, klar in den Koloraturen und im Stimmlagenwechsel, dabei aber mit Körper in der Stimme mit einem angestrengt und in der Höhe abfallenden Tenor zusammen. Die musikalische Leitung liegt bei Stefano Ranzani, der mit Schwung und Emotion italienische Farben zaubert.

Der Hausherr Daniel Barenboim übernimmt den Stab in der zweiten Besetzung. Musikalisch exakt und breit im Dirigat nimmt Barenboim viel Rücksicht auf die Sänger, allen voran Altstar Plácido Domingo. Unverändert überzeugend im Spiel und der Präsenz erkennt man seine stimmliche Anstrengung und Grenzen. In Anlehnung an das Tenorfach verschüttet er Schmelz und Legato. Orlin Anastassov fehlt die satte geläuterte Tiefe in seinem Bass als Jacopo Fiesco. Artur Rucinski mimt elegant und überzeugend den Intriganten Paolo. Strahlend übertönt Fabio Sartini als stimm- und körpergewaltiger Gabriele Adorno seine Kollegen und Orchester. Tatjana Serjan ist seine angebete Amelia, die stimmlich dramatisch trocken und spröde wirkt.

Das Publikum jubelt beiden geliebten Helden begeistert zu, die jeweils den Aufführungen ihre besondere Note geben.

Helmut Pitsch

 



Fotos:
Brescia/Amisano – Teatro alla Scala