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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioachino Rossini)
8. August 2015
(Premiere am 8.12.1969)

Teatro alla Scala, Milano


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Klassik und Expo

Die Welt schaut auf Mailand und Mailand sieht sich die Welt an. Als Gastgeber der diesjährigen Weltausstellung bietet Italiens Mode- und Finanzmetropole einen ganzen Reigen kultureller und touristischer Rahmenveranstaltungen. Da darf natürlich auch die Scala nicht beiseite stehen und unterbricht dafür sogar die heilige Sommerpause im Ferragosto.

Während der Cirque de Soleil das exklusive Allavita-Programm auf der Expo aufführt und am Domplatz Pop-Open-air stattfindet, nutzen die Staaten dieser Welt das Forum für Werbung und positive PR. Die Emirate ließen sich von Sir Norman Foster eine Wüstenmetapher als Hochglanzpavillon in Metall bauen, der viel von schönen Bildern, wenig von Menschenrechten und Demokratie erzählt. Der schönen Oberfläche wird gehuldigt, Kontroversen sucht man nicht und auch die Scala geht keine Risiken ein.

Die Parallelen zur Expo überraschen bei einem Komponisten wie Rossini, der für den Barbiere viel altes Material zu neuem Glanz recycelte, bei einem Bariton, der vornehmlich Schlusstöne zum Glänzen bringt und einem Haus, das Ponnelles Inszenierung von 1969 auf Hochglanz poliert.
Ebensolang wie für die Komposition brauchte der klassische Großmeister neben Schenk bekanntlich für seine Inszenierungen. Nach vier Wochen stand die Produktion und bezaubert bis heute. Länger wohl saß der ebenfalls als Kostümbildner und Bühnenbauer aktive Opernmann sicherlich für die perfektionistische Stadtlandschaft seiner Szenerie.

Eine Piazetta in Sevilla dreht sich detailliert ausgearbeitet linksherum in Figaros Frisierstube und rechtsherum in das ausladende Interieur von Bartolos Liebesgefängnis. Rollos knallen, Bilder fallen von der Wand, die Gewittermaschinerie donnert und ein bezaubernd klassisches Bühnenbild strahlt charmant.

Ebenso ausgefeilt das kleine Spiel. Für die erste Schmacht-Canzone lässt sich Almaviva von Helfershelfern in der Abendstimmung künstlich ausleuchten, Figaro hypnotisiert die gesamte Nachtwache zu einer spaßigen Gruppenchoreografie während der Wahnsinnsszene, ein Nachttopf landet auf dem Spießbürger, Kinder laufen durch die Szene, der Nachtwächter löscht die Laternen und nie entsteht Langeweile.

Dabei hilft der quasi als Kommentator genutzte Fortepiano-Spieler James Vaughan, der nicht nur das Tempo der Rezitative lenkt, sondern an passender Stelle sogar ein Pink-Panther-Interjus einstreut. Das Publikum goutiert und lächelt.

Vom polternden Musiklehrer über den eifersüchtigen Patron, das giftige Dienstmädchen und freilich den listigen Friseur, der ganz Trickster in allen Häusern zuhause ist: Jede Figur darf glänzen, wirkt sympathisch und wird nie verraten. Hier wird Rossini gefeiert, die Commedia ernstgenommen und die Oper hochgehalten.

Das tun auch die teils aus der hauseigenen Accademia rekrutierten Sängerdarsteller. Hell und nicht helle phrasiert Edoardo Milletti seinen Almaviva höhensicher, mit Sinn auch für gesangliche Karikatur und erfrischendem Tempo. Trillerstark und präzise erfreut die junge Aya Wakizono als schmeichelhafte Rosina mit viel künftigem Donizetti-Potenzial. Schallenden Bass und boshaft griffiges Spiel feuert lässig Hausgröße Ruggero Raimondi aus der Hüfte und begeistert als Basilio. Zwiespältig und dem schönen Schein arg zugeneigt, erscheint Figaro Massimo Cavaletti, der sich die Partie in dieser Expo-Serie mit Leo Nucci teilt. Selten stimmlich fokusiert, doch höchst spitzenfixiert kaspert er etwas überzogen bis zum Applaus durch Ponnelles Inszenierung. Hier fehlt eine klar geführte und sinnliche Stimme wie die selbst des späten Nucci.

Spielerisch wie gesanglich über Rossini erhaben agiert der satte Männerchor unter Marco de Gaspari.
International mit Belcanto auf Tour ist Dirigent Massimo Zanetti, der zur Expo nach längerer Absenz an die Scala zurückkehrt. Zügig und geschmeidig fliegt er routiniert durch die Ouvertüre, singt auswändig und ganz nah mit den Sängern zusammen und setzt zur Feierstimmung mit der kleinen Rossinibesetzung auf die großen Sextette und Tutti-Momente.

So möchte die Welt die Scala sehen, und sie liefert mit italienischer Klassik, die ebenso zeitlos gefällt und zufriedenstellt wie der Wein und die Pasta auf der Expo. Begeisterte Reaktionen im Zuschauerraum.

Andreas M. Bräu

 



Fotos:
Brescia/Amisano – Teatro alla Scala