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Fakten zur Aufführung 

EIN MASKENBALL
(Giuseppe Verdi)
12. September 2015
(Premiere)

Theater Magdeburg


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Der maskierte Tod

Jeder der maskierten Ballgäste könnte es gewesen sein. Der Maskenball als geheimnisvoller Ort für Verschwörung, Rache und Mord als Schauplatz  blutiger Rache und Gelegenheit für Verschwörer zum Sturz des politischen Herrschers. Jeder könnte der Mörder von Riccardo gewesen sein, aber nur einer feuert den Todesschuss ab. Direkt und unmaskiert trifft Renato seinen Freund und Begleiter mitten ins Herz und wird damit aus Enttäuschung und Hass zum Handlanger der Verschwörer. Totenkopfmasken der uniformierten Ballgäste in langen schwarzen Mänteln geben der Szene etwas Gespenstisches. Daran kann der sterbende Riccardo mit seinem Bekenntnis der Unschuld Amelias und der Vergebung für seinen Freund Renato wenig ändern.

Karen Stone hat mit der Inszenierung Ein Maskenball für die neue Spielzeit Maßstäbe gesetzt. Sie hat sich augenscheinlich von Verdi selbst zu ihrer Inszenierung inspirieren lassen. „Die Zensur würde Stoff und Situationen… genehmigen, möchte die Handlung jedoch außerhalb Europas verlegt wissen … Wenn nicht Amerika, dann einen anderen Ort. Vielleicht den Kaukasus“, schrieb der im Juli 1858 in einem Brief an seinen Librettisten. Karen Stone holt die Handlung in die Gegenwart, ein Zentrum der Macht mit Reichen und Mächtigen, irgendwo im Osten und geprägt von postsozialistischen Lebensformen. Nicht das Ambiente  mit dem Prunk des Herrschenden und überdimensionalen Konterfeis in Putin-Pose oder der triste Ort inmitten von Hochhäusern, wo die Hellseherin Ulrica, dämonisch gesungen von Lucia Cervoni, in einem Wohnwagen ihren Geschäften mit der Hoffnung der Armen nachgeht, bebildern das Konzept der Inszenierung. Die Bühnenbilder von Ulrich Schulz, der die Tiefe und Höhe der großen Bühne verkleinert, schaffen  vor allem für die großen musikalischen Momente zwischen Amelia, Riccardo und Renato eine für ein intensives, emotionsgeladenes Spiel fast kammerspielartige Szene. Dass dabei zuweilen nahe an der Rampe gesungen wird, stört kaum, zumal die Magdeburgische Philharmonie sich dem in bewundernswerter Art und Weise anpasst. Stone gelingt in ihrer Inszenierung eine überzeugende Profilierung der Hauptfiguren einerseits, andererseits beeindrucken die von Martin Wagner einstudierten und präzis geführten Chöre durch differenziertes Spiel. Das trifft insbesondere für die kraftvoll singenden Verschwörer-Chöre in ihrer Zügellosigkeit und Aggressivität zu.

Musikalisch setzt die Aufführung Maßstäbe. Irina Oknina, die bereits am Staatstheater Nürnberg in der Rolle der Amelia brillierte, gelingt eine berührende, ausdrucksstark und facettenreich in der musikalischen Ausformung der schwierigen Partie gesungene Amelia. Sie gestaltet die Zerrissenheit und Verzweiflung, das Hin und Her zwischen den Gefühlen für die beiden Kontrahenten mit stimmlicher Präzision und darstellerischer Überzeugungskraft. Timothy Richards ist eine Idealbesetzung des Riccardo, dessen Italianità in der Stimme mit sicherer Höhe und ohne Intonationstrübungen glänzt. Er folgt bedingungslos der Regie und spielt diesen Riccardo als einen jede Gefahr ignorierenden „Menschenfreund“, der bis zuletzt den Gefahren trotzt. Mit Gocha Abuladze ist die Partie des Renato optimal besetzt. Mit seinem kraftvollen Bariton hat er in den leidenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Riccardo und Amelia bis zum Schuss auf den Freund seinen stärksten Momente. Hale Soner begeistert als uniformierter Oscar und Gehilfe des Gouverneurs mit einem blitzsauberen Koloraturfeuerwerk und quirligem Spiel. Ausdrucksstark agieren als Verschwörer Martin-Jan Nijhof und Johannes Stermann.

Der musikalische Erfolg des Opernabends ist das Ergebnis der von GMD Kimbo Ishij geleiteten Magdeburgischen Philharmonie. Einmal mehr beweisen die Philharmoniker ihre Qualitäten als Verdi-Orchester. Der Dirigent formt sehr differenziert das Spiel der einzelnen Instrumentengruppen aus. Zwischen Lyrik und Dramatik, zart und kraftvoll, heiter und melancholisch realisiert die Philharmonie die stimmungsvolle Einheit zwischen Orchestergraben und Bühnengeschehen.

Minutenlanger, enthusiastischer Beifall. Für Solisten und Orchester gibt es zahlreiche Bravo-Rufe. Ungeteilte Zustimmung für das Inszenierungsteam um Generalintendantin Karen Stone.

Herbert Henning

 







Fotos: Nilz Böhme