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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
22. Oktober 2015
(Premiere)

Theater Magdeburg


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Rache im Kopf

Im Orchestergraben tobt, wütet, rast, jubelt und vibriert es. Michael Balke dirigiert mit großer Leidenschaft das Strauss`sche Monumentalwerk und bringt alle musikalischen Facetten der Partitur zwischen Spätromantik und Moderne in einem Klangrausch voll zur Geltung. Balke nimmt die Anweisungen des Komponisten ernst, berücksichtigt sehr genau die Piano-und Pianissimo-Anweisungen und formt die Streicherschichtungen und Bläserformationen. Das Musizieren der Magdeburgischen Philharmonie gleicht einer Eruption.

Und damit wird auf der musikalischen Ebene das Inszenierungskonzept von Aniara Amos besonders schlüssig. Für sie spielen sich die alles beherrschenden Rachegelüste und Rachefantasien von Elektra, ihr Hass und die Blutrache im Kopf ab. Das Innenleben von Elektra, ihre Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit, ihr Denken und Fühlen, das Hysterische und ihre Angst werden visualisiert. Die schizophrene Persönlichkeit der Elektra ist in mehrfacher Gestalt auf der Bühne präsent. Wir erleben sie als Kind und als Personifizierung von Wut, Trauer, Hass, Rache, Angst und Freude. Immer wieder erscheinen als reale Personen aus ihrem Kopf die Geschwister Orest und Chrysothemis als Kinder, tauschen Erinnerungen an den ermordeten Agamemnon auf, sieht sie Schreckensbilder. Man erlebt mit dieser Frau eine Art Vergangenheitsbewältigung. Alles das wird in einer furiosen Bewegungschoreografie unter Nutzung pantomimischer Elemente vorgeführt. Die Regisseurin legt in ihrer Inszenierung die Affinität der Oper zur Entstehungszeit, die die Werkgeschichte der Elektra wesentlich bestimmt hat, frei: Siegmund Freuds Vorlesungen zur Psychoanalyse und seine Studien zur Hysterie, die beschreiben, wie das Unterbewusste langsam in das Bewusstsein des Menschen wandert. Und für dieses Seelendrama haben Aniara Amos und ihre Bühnenbildnerin Corinna Gassauer sowie Maria-Elena Amos, die die Kostüme entworfen hat, atmosphärisch dichte Bilder geschaffen. Eine festungsähnliche, wuchtige Arena mit einer Galerie, von der man von oben das Geschehen beobachten kann und sich das Kind sein von Elektra abspielt, ist wie ein hofartiges Gefängnis. Hier lebt in wilder Ekstase Elektra ihren Hass und ihre Wut aus. Hier treffen Elektra und ihre Schwester zusammen. Und hier kommt es zur großen Auseinandersetzung mit Elektras schuldbeladener Mutter Klytämnestra. Immer wieder verschwimmen die Zeitebenen, werden Bilder aus der Gegenwart in Vergangenheit und Zukunft lebendig.

Dass dieses kühne Konzept so überwältigend aufgeht, ist neben der Magdeburgischen Philharmonie einem Ensemble zu verdanken, das mit Bravour die enormen musikalischen Anforderungen glänzend meistert. Allen voran Elaine McKrill, die in dieser Inszenierung ihr Rollendebüt gibt. In ihrem Gesang zwischen rasenden Spitzentönen und lyrischen Passagen findet man quälende Leidenschaft, hasserfüllte Rachegelüste, zärtliche Schwesterliebe und Sehnsucht nach dem Bruder als Vollstrecker der Rache. Eine fulminante sängerische und darstellerische Ausformung dieser Partie, vor allem auch im Zusammenspiel mit den Elektra-Personifizierungen – beeindruckend die Chorsolisten und Hale Soner – ihrer gespaltenen Persönlichkeit. Bravouröse Leistungen von Noa Danon als Chrysothemis und, in pompösem Aufputz von Albträumen heimgesucht, Undine Dreißig als Klytämnestra. Ausdrucksstark singt Martin-Jan Nijhof den Orest in der Montur des Todes und Michael Gniffke den Aegisth, der dem Beil des Orest wie auch Klytämnestra zum Opfer fällt.

Frenetischer, minutenlanger Beifall des Publikums, das  nach diesem Opernerlebnis seine große Begeisterung lauthals kundtut.

Herbert Henning







Fotos: Andreas Jander