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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
19. September 2015
(Premiere)

Landestheater Linz


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Kunstfiguren in ästhetisch komponierten Bildern

Auf Robert Wilson muss man sich einlassen. Dem Regisseur geht es bei seinen Inszenierungen nicht um Interpretation und Psychologie. Schon seit Jahrzehnten zeigt er ein eigenes Formentheater, ein sogenanntes formales Theater – so seine Eigenbezeichnung – das jeglichen Realismus verweigert. Dazu entwirft er eine hochartifizielle Körper- und Gestensprache in ästhetischen Räumen und einer ausgeklügelten Lichtregie. Und es sind immer dieselben Stilmittel, die er dazu verwendet.

So auch jetzt im Musiktheater Volksgarten mit Giuseppe Verdis La traviata als diesjährige Saisoneröffnung des Linzer Landestheaters, die Gérard Mortier gewidmet ist. Sie sollte ursprünglich an dem von ihm zuletzt geführten Teatro Real in Madrid herauskommen, wurde aber nach dessen Tod nicht mehr realisiert, weswegen Linz zum Zuge kam:  Minimalistisch, reduziert, abstrakt und kalt ist die Inszenierung mit dem eigentlich völlig leeren, von Wilson selbst entworfenen Bühnenbild. Sie lebt nur von Lichtstimmungen, etwa dem eiskalten Neonlicht an der Rampe. In perfektem Timing laufen deren vielfache Änderungen in aller Kürze ab.

Dazu werden von oben immer mehr scharfe, bedrohlich wirkende Klingen oder verschiedene Lichtquellen herabgelassen, oder es fahren weiße, stilisierte Gestrüppe herein und hinaus. Die Bewegungen der Protagonisten und des sehr homogen singenden Chores, der von Georg Leopold einstudiert wurde, sind völlig künstlich, ja teils marionettenhaft. Sie schreiten, trippeln oder springen vor Freude. Mit vom Körper weggespreizten Händen und minimalistischen, artifiziellen Gesten und ihren weißgeschminkten Gesichtern wirken sie alle wie Kunstfiguren, die teils als Schattenrisse zu sehen sind. Es sind zweifellos wunderbare Bilder von einnehmender Schönheit in phantasiereichen Kostümen von Yashi. Nur kommen dabei die Emotionen der meist ohne Mimik und meist frontal ins Publikum ohne Sicht- und Körperkontakt zueinander singenden Protagonisten viel zu kurz und können schwer erspürt werden.

Gefühle, die die Sänger musikalisch sehr wohl über die Rampe bringen und die von der Regie gewollt, auch innerhalb ihrer Arien immer wieder kleinere Kunstpausen machen müssen. Myung Joo Lee gelingen als Violetta nach anfänglicher Unsicherheit bei den Koloraturen und einzelner schriller Töne in der Höhe herrliche Piani und reiche Schattierungen. Der Alfredo des Jacques le Roux verfügt über einen schön timbrierten, lyrischen Tenor. Seho Chang ist ein Giorgio Germont mit kernigem, selten schroffem Bariton und weiter Ausdruckspalette. Die vielen kleinen Partien sind alle ausreichend besetzt.

Daniel Spaw am Pult des Bruckner-Orchesters Linz gelingt es, nach anfänglich zu sehr auf Sicherheit kalkulierter Interpretation, die wunderbaren Lyrismen und vielen Nuancen von Verdis eingängiger und populärer Melodik mit Präzision herauszuarbeiten.
Das Publikum zeigt sich restlos begeistert. Es spendet spontane stehende Ovationen einer Koproduktion mit Kopenhagen, Perm und Luxemburg.

Helmut Christian Mayer

 







Fotos: Olaf Struck