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Fakten zur Aufführung 

MODERNLIVE
(Introdans)
20. Mai 2015
(Einmaliges Gastspiel)

Forum Leverkusen


Points of Honor                      

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Licht an für den Tanz

Längst hat sich herumgesprochen, dass das Leverkusener Forum einen wunderbaren internationalen Querschnitt von Ballett- und zeitgenössischen Tanz-Aufführungen zeigt. Die Autokennzeichen in der Tiefgarage verraten, dass das Publikum, das den Saal auch an diesem Abend wieder nahezu vollständig füllt, aus einem weiten Radius anreist, um zu erleben, welche Entwicklungen es in der Tanzwelt gibt. 15 Jahre ist es her, dass die Compagnie Introdans aus dem niederländischen Arnheim auf der Bühne des Forums stand. Jetzt meldet sie sich mit dem Programm MODERNlive zurück. Introdans wurde 1971 unter anderem vom heutigen Geschäftsführenden Direktor Ton Wiggers gegründet und im Laufe der Jahre zu einer der drei größten und aktivsten Ballettcompagnien der Niederlande geführt. 1983 stieß Roel Voorintholt dazu. Heute ist er der künstlerische Leiter der Truppe. Für MODERNlive hat er vier Werke zusammengestellt: Lucinda Childs zeigt zeitgenössisches Ballett der amerikanischen Art, zwei Tänzer aus der Compagnie vollbringen ihre ersten Schritte und zum Abschluss gibt es den Klassiker von Ed Wubbe: Der Tod und das Mädchen.

Es wird ein Festabend des Lichts. Was Schönberg in der zeitgenössischen Musik versaut hat, vollbringen im zeitgenössischen Tanz die Lichtdesigner. Introdans zeigt, dass es auch ganz anders geht. Ob Dominique Drillot, Berry Claassen oder Nico van der Krogt – diese Lichtdesigner beweisen, was moderner Tanz kann, wenn er ins rechte Licht gerückt wird. Ob eine mildsatte Ausleuchtung in Canto Ostinato, l’un different, Pockets to Unfold oder scharfkonturierte Lichtwechsel, die die Tänzer in Der Tod und das Mädchen punktgenau und effektvoll zur Geltung bringen: An diesem Abend sitzt jeder Scheinwerfereinsatz haarscharf.

Canto Ostinato ist ein eindringliches Werk zeitgenössischer Musik von Simeon ten Holt, das Jeroen van Veen auf dem Klavier eingespielt hat, und das zum gleichnamigen Ballett von Lucinda Childs vom Band eingespielt wird. Den Hintergrund der Bühne füllt eine Projektionsfläche, auf der erst einer, später mehrere vertikale Balken von rechts nach links und zurück laufen. Dominique Drillot und Matthieu Stefani nehmen damit, inspiriert von Norman McLaren, die Idee der Parallelität vorweg, die Childs auf eindrucksvolle Weise umsetzt. Die Choreografin positioniert die Tänzer in immer neuen und überraschenden Konstellationen einer parallelen Konstruktion. Ein großartiger Auftakt, der allein ein wenig durch die eher faden, hellgrauen Kostüme von Drillot an Wirkung verliert.

In l’un different verdient sich Choreograf Laurent Drousie erste Sporen. Eine Bühne im zeitgenössischen Tanz ist eine leere Bühne? Irrtum. Ewout van Dingstee sitzt mit seinem Violoncello auf einem Podest und spielt live Johann Sebastian Bachs Cello Suite Nr. 1. Die Tänzerinnen und Tänzer, die Sjaak Hullekes in vollkommen geschlechtsneutrale Kostüme steckt und zudem mit Gaze-Masken versieht – ein Kunstgriff, den man mögen kann, aber nicht muss, gelungen ist er allemal – um ein vertikales Tableau herum zeigen, dass es diesen einen Unterschied eigentlich nicht gibt.

Im Stück von Jorge Pérez Martinez gibt es Konfetti-Regen. Pockets to Unfold ist ein Handtaschen-Tanz. Sprich: Es wird viel mit den Händen in den Hosentaschen getanzt. Ein origineller Einfall, der funktioniert. Choreografisch ist das noch nicht zu Ende gedacht, weil zu sehr von Einzelideen in Bühne, Abfolge und Bewegungssprache geprägt. Aber der Ansatz stimmt. Zu Streichquartetten von Mozart und Ravel, die im Graben vom Van-Dingstee-Kwartet vorgetragen werden, gibt es eine sehr eigene, originelle Bewegungssprache auf der Bühne. Verschenkt, dass auch hier dem Choreografen nicht mehr als hellgraue Kostüme einfallen.

Wie fantasievolle Kostüme aussehen, zeigt Pamela Homoet in Ed Wubbes Der Tod und das Mädchen. Hier wird in schwarzweiß Fantasie pur vorgestellt. Seit der Uraufführung des Werks ist ein Vierteljahrhundert vergangen, und doch kommt es frisch und irritierend wie eh und je daher. Eigentlich geht es darum, das Streichquartett Nr. 14 von Franz Schubert zu vertanzen. Im zweiten Satz bezieht sich Schubert auf ein Gedicht von Matthias Claudius – mehr hat das Stück mit dem Sujet Der Tod und das Mädchen nicht zu tun. Wer das weiß, kann das eher vom klassischen Ballett getragene Stück von Wubbe in vollen Zügen genießen. Zumal auch hier das Kwartet im Graben aufspielt.

Insgesamt hat Voorintholt einen großartigen Abend zusammengestellt, der auf Weltklasse-Niveau stattfindet. Das findet das Publikum auch, johlt und ergeht sich in stehenden Ovationen. Der Wermutstropfen für die Menschen aus Leverkusen, Köln, Gummersbach, Bonn und anderswo: Das erstklassige Programm geht erst im September im Leverkusener Forum weiter.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Hans Gerritsen