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Fakten zur Aufführung 

DER LIEBESTRANK
(Gaetano Donizetti)
29. April 2014
(Einmaliges Gastspiel)

Forum Leverkusen


Points of Honor                      

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Typisch italienisch eben

Das Theater Osnabrück ist zu Gast im Forum Leverkusen, um das Stück L’Elisir d’Amore von Gaetano Donizetti auf die Bühne zu bringen, das in Osnabrück von Guillermo Amaya inszeniert wurde und im Theater am Domhof Anfang vergangenen Jahres Premiere hatte. Intendant Ralf Waldschmidt hat es sich nicht nehmen lassen, seine Truppe zu begleiten. Die westfälischen Theatermacher stehen in Leverkusen vor der Herausforderung, die Inszenierung von der Drehbühne auf die Guckkastenbühne zu adaptieren. Das gelingt nicht. Trotzdem wird es ein erfolgreicher Abend.

Amaya verlegt die Handlung vom Dorfplatz in eine Milchfabrik, deren Eigentümerin Adina ist. Warum das so sein muss, erschließt sich in Leverkusen nicht. Hier sehen wir auf der Bühne eine Ziegelmauer mit einer Plakatwand, die während des Stücks immer wieder mehr oder minder sinnlos herumgeschoben wird. Dafür sind dann aber längere Umbaupausen fällig, ohne dass sich irgendwelche Überraschungseffekte einstellen. Ergänzt wird die Ausstattung von Alexandre Corazzola mit Gestellen, die Laufbänder aus der Milchproduktion, aber auch mal einen Laufsteg darstellen. Konsequent über den ganzen Abend vorne links eine runde Bank, aus deren Mitte eine Bogenlampe herausragt. Da ist er also doch, der Dorfplatz. Ein Vespa-Dreirad als Bauchladen des Dottor Dulcamara wird immer mal wieder über die Bühne geschoben. Das Ganze sieht so aus, als seien ein paar Bruchstücke aus der Osnabrücker Inszenierung mitgebracht worden, um die Inszenierungsidee wenigstens anzudeuten. Je weiter die Vorstellung voranschreitet, desto unwichtiger wird die Bühnengestaltung, weil im zweiten Akt mehr und mehr an der Rampe gesungen wird. Das gipfelt darin, dass Nemorino und Adina ihr Liebesduett Prendi, per me sei libero im Abstand von etwa fünf Metern voneinander vor geschlossenem Vorhang singen. Zwei Verfolger werfen ihre Schatten auf den Vorhang. Da kann man sich dann wirklich ganz auf den Gesang konzentrieren. So lieben es die Italiener. Das gilt sicher auch für die Kostüme. Während der Chor zunächst im Blaumann agiert und passend zur Ballszene in zeitlose Zivilbekleidung schlüpft, verwandelt sich Adina von der Geschäftsfrau im geblümten Keid mit Bolero zur klassischen Braut, um schließlich, herrlich, in schwarzer Abendrobe mit Glitzereffekten pünktlich zum Liebesduett zu erscheinen. Dulcamara und sein Assistent verzichten auf die rote Clownsnase. Und Belcore wechselt vom Fantasie-Kampfanzug zur Fantasie-Gala-Uniform. Das bleibt alles hübsch an der Oberfläche, ist ja schließlich eine Opera buffa. Hier hat sich, so entsteht der Eindruck in der Leverkusener Vorstellung, jemand herzlich wenig Gedanken gemacht.

Also liegt der Fokus, wie es sich für eine italienische Inszenierung gehört, auf den Sängern. Genadijus Bergorulko begeistert als Dulcamara mit einem herrlichen Buffo-Bass. Der blondperückten Adina fehlt es bei einer sehr ordentlichen Leistung am Kick. Marie-Christine Haase singt schön. Der geniale Regie-Einfall, dass sie bei den Koloraturen wild mit den Augen klimpert, hilft aber nicht weiter. Warum Nemorino sich unsterblich in sie verlieben soll, wird nicht deutlich. Daniel Wagner singt den jugendlich-naiven Romantiker gefällig und bemüht sich sehr um Verständlichkeit. Seine Ausstrahlung als charming boy kommt beim Publikum gut an. Bei Una furtiva lagrima, der Bewährungsprobe für jeden jungen Tenor, der sich an Nemorino traut, zeigt sich, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Giannetta ist bei Tina Marie Herbert bestens aufgehoben. Fabelhaft spielt Jacques Freyber den stummen Diener Dulcamaras.

Insgesamt gelingt es dem Ensemble, eine ansprechende, das Publikum begeisternde Leistung zu erbringen. Einen großen Teil der Wirkung tragen Chor und Extra-Chor des Theaters Osnabrück unter der Leitung von Markus Lafleur bei. Mit wunderbarem Einsatz sorgen die Choristen für Spiel, Spaß und Freude auf der Bühne.

Nach ein paar Stolpereien zu Beginn gelingt es Daniel Inbal, das Osnabrücker Symphonieorchester zu Klängen zu führen, bei denen man gern auf dieser italienischen Piazza säße, die im Ursprung ein baskischer Dorfplatz war, um sich bei einem Glas Wein die Narreteien eines Nemorino im Sonnenuntergang angedeihen zu lassen. Genial die Idee, die Bläserphilharmonie Osnabrück unter Leitung von Jens Schröer beim Cantiamo, facciam brindisi auf die Bühne zu holen. Zu jeder Zeit lässt Inbal dabei den Sängerinnen und Sängern den nötigen Raum und begleitet sie intensiv. So sieht musikalische Teamarbeit aus.

Das Publikum – oder zumindest ein Teil davon – weiß das zu würdigen. Während die einen noch stehend applaudieren, drängen sich die anderen an ihnen vorbei, um als erste am Auto zu sein. Eine junge Dame, der es offenbar noch an Erfahrungen mit dem Leverkusener Publikum fehlt, empört sich. „Beim Applaus schon abzuhauen, ist doch voll für’n Arsch.“ Schön, wenn die jungen Leute mal so auf den Punkt bringen, was sie an einer Opernaufführung stört.

Michael S. Zerban







Fotos: Marek Kruszewski