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Fakten zur Aufführung 

BLACK DIAMOND
(Tim Rushton)
28. Oktober 2014
(Gastspiel)

Forum Leverkusen


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Futuristisch schön

1840 wurden die ersten schwarzen Diamanten oder Carbonados in Chapada Diamantina im brasilianischen Bahia gefunden. Die Härte eines Carbonados ist derart hoch, dass er mit normalen Schleifmethoden nicht zu bearbeiten ist. Sein Vorkommen ist extrem selten. Seit einem halben Jahr häuft sich das Vorkommen von Black Diamond allerdings, denn so hat Choreograf Tim Rushton sein neuestes Werk genannt, das im Mai dieses Jahr seine Uraufführung am Königlichen Theater Kopenhagen feierte. Jetzt ist der einstündige Zwei-Akter im Leverkusener Forum vor nahezu ausverkauftem Haus angekommen.

Johan Kølkjær hat den Tänzerinnen und Tänzern des Dänischen Tanztheaters eine so simple wie geniale Bühne bereitet. Vorhang auf. Eine Spur silberfarbenen Konfettis fällt von oben auf die dunkle Bühne. Im Hintergrund hebt sich ein zweiter Vorhang, um den Blick auf die Rückwand der Bühne freizugeben. Aus der erheben sich pyramidenförmige Spitzen, die die kristalline Struktur des Diamanten andeuten. Ideale Projektionsfläche und Quelle für die eindrucksvollen Lichteffekte, für die Jakob Bjerregaard verantwortlich zeichnet. Im ersten Akt ist die Grundstimmung dunkel, wird aber durch wechselnde Reflexe immerhin so weit erhellt, dass die Tänzer im Großen und Ganzen sichtbar bleiben. Im zweiten Akt wechselt das Schwarz des Infernos und der Verzweiflung in das Silber der Hoffnung und Zukunft – na ja, zumindest ist es von Rushton so gedacht, aber es wird wenigstens von fahl zu weiß und hell. So werden auch die fantasievollen Kostüme von Charlotte Østergaard deutlich sichtbar. In diesem kontrastierenden Szenario gelingt es Rushton, eine eigene Welt entstehen zu lassen. Dazu hat er zeitgenössische Musik von Trentemøller, dem Balanescu Quartet, Donnacha Costello, Philip Glass und Tom Opdahl ausgewählt, die im Forum lediglich als Konserve zu hören ist. Sie reicht von der lyrisch klagenden Geige bis zum wummernden Disco-Beat und wieder zurück.

Zu diesem Klangteppich entwickelt der Choreograf mit seinen Tänzern eine sehr eigene Bewegungssprache mit stark geometrischen Formen, die oft roboterhaft daherkommen, um sich dann weich aufzulösen. Einen echten Höhepunkt gibt es zu Beginn des zweiten Aktes, als zwei Skulpturen ineinander verkeilt in der Bühnenmitte liegen. Als Tänzerin und Tänzer sich voneinander lösen, beide in ballonseidene Ganzkörpertrikots gekleidet und so von eher androgyner Wirkung, beginnt eine Phase, die alles vorher und nachher in den Schatten stellt. Die Auseinandersetzung scheinbar geschlechtsloser Wesen wirft ein neues Licht auf zwischenmenschliche Beziehungen, tänzerisch, man kann es nicht anders sagen, von Rushton genial gelöst, von Milou Nuyens und ihrem Partner Jernej Bizjak atemberaubend – zumindest verstummt das Dauerhusten im Saal – umgesetzt. Nuyens ist es auch, die einen grazilen und ebenso furiosen Schlusspunkt setzt.

Leverkusen hat – mal wieder – einen Höhepunkt zeitgenössischen Tanzes auf Weltniveau erlebt. Zum Schlussvorhang tritt Tim Rushton selbst mit seiner Compagnie auf der Bühne. Eine kleine Geste, die nicht deutlicher den Respekt vor dem Publikum zeigen könnte. Das Publikum dankt mit stehenden Ovationen und rauschendem Beifall. „Das geht mir in den Bauch“, sagt eine Besucherin. Besser kann man den Abend kaum zusammenfassen.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Soren Meisner, Henrik Stenberg, Costu Radu