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Fakten zur Aufführung 

A HAND OF BRIDGE
(Samuel Barber)
TROUBLE IN TAHITI
(Leonard Bernstein)
3. Oktober 2015
(Premiere am 24. September 2015)

Oper Leipzig, Spiegelzelt


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Der Toast ist verbrannt

… der Kaffee ist kalt, die Milch zu heiß, und der weiße Staketenzaun des Nachbarn ärgert schon lange. Und was erzählt Dinah beim Frühstück, worüber redet Sam beim abendlichen Dinner? Man braucht gar nicht hinzuhören – Banalitäten. Sie verraten lieber nichts von ihren heimlichen Träumen und Phantasieausflügen – und können am Ende doch von ihrem Partner nicht lassen. Sie haben sich mit ihrem Partner, der Partnerin und dem Idyll einer amerikanischen Vorstadt arrangiert und erlauben sich ihre Träume nur in der Phantasie – die ganz normale Langeweile des Alltags, den sie wie einen „verdorrten Garten“ empfinden. Die längst fällige Aussprache kommt über langes Schweigen nicht hinaus, bei einem abendlichen Ausgang landen sie in dem Musical-Film Trouble in Tahiti, der ihnen den Zauber einer Phantasiewelt vorgaukelt. Ihr Vorstadtalltag und Tahiti – zwei Welten.

Arbeiten an der Drehbühne und dem Orchestergraben zwingen die Oper Leipzig in Ausweichorte. Ein Spiegelzelt zwischen Theater und Gewandhaus mit leichtem Variete-Ambiente reicht für diese Kurzoper völlig aus. Patrick Bialdyga hat die etwa 40-minütige Originalfassung Bernsteins um ein Vorspiel A Hand of Bridge ergänzt, eine Kurzoper von rund neun Minuten, in der zwei amerikanische Paare eine Partie Bridge spielen und über ihren Alltag und ihre Wünsche sinnieren. Dieses Vorspiel leitet über zu Filmsequenzen, in denen sechs Paare heutiger Zeit nacheinander aus ihrem Beziehungsalltag berichten. Bialdyga sieht hier Züge, die Bernstein bei seinen Eltern erlebt und erlitten hat, häufig banal, aber wohl doch „typisch“ amerikanisch. In den Gegensätzen der Paare die „alten apollonisch-dionysischen Konflikte“ zu entdecken, will kaum gelingen.

So zieht sich das Geschehen zwischen Träumen, Nachdenken und Phantasien eher alltäglich und unaufgeregt dahin. Eine gewisse Lockerung bringen einige musikalische Zwischenstücke, in denen ein Jazztrio, das zufällig große Ähnlichkeit mit bekannten Stars der Musical- und Filmszene aufweist, locker flockig daran erinnert, wie Musical-Jazz klingen kann. Besonders gelungen Sandra Maxheimer als Monroe-ähnliche Sally. Bernsteins jazziger Musical-Sound will so recht nicht in Schwung kommen; erfreulich, dass wenigstens die Stimmen die wenig mitreißenden Songs bestens präsentieren.

Ob das tatsächlich Bernsteins Versuch ist, „eine Tonsprache für die Kommunikationslosigkeit“ zu finden, ist eher fraglich. Wenn Bernstein einige Jahre später den Einakter Trouble in Tahiti in seine Komposition A Quiet Place einarbeitet, wird er dafür gute Gründe haben. Doch der Durchbruch gelingt ihm auch mit diesem Kompromiss nicht. Sein Wunsch, eine „amerikanische Nationaloper“ zu komponieren, bleibt unerfüllt und erscheint wohl etwas zu hoch gegriffen, von Bernstein, vom Regisseur und auch von Anthony Bramil, der das reduzierte Orchester des Gewandhauses kaum fordert.

Das schon während der Aufführung kaum begeisterte Publikum bedankt sich artig mit einem eher sparsamen Schlussapplaus. Vielleicht passt eine amerikanische Nationaloper, wie Bernstein sie sich wünscht, gar nicht zu diesem Land, dieser Nation. Mit der West Side Story hat Bernstein später überzeugend gezeigt, dass es andere authentische musikalische Ausdrucksformen gibt.

Übrigens, „Bridge trainiert partnerschaftliche Fähigkeiten“: Darauf muss man an diesem Abend erst mal kommen.

Horst Dichanz







Fotos: Tom Schulze