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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
21. September 2014
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Krefeld

Points of Honor                      

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Poetische Zeitgeschichte

Vor gut besuchtem Haus betritt als erster Intendant Michael Grosse die Bühne – kein gutes Zeichen. „Sophie Witte…“, beginnt er nach der Begrüßung, und ein Raunen der Enttäuschung geht durch das Publikum. Deutlicher können die Krefelder kaum mit einem kollektiven Gefühlsausbruch zum Ausdruck bringen, wie wichtig und vertraut das eigene Ensemble ist. Dabei will Grosse eigentlich nur die mangelnde Disposition der Sängerin nach einer Erkältung ankündigen, und auch darüber ist die Freude im Zuschauerraum einhellig. Obwohl erst in der zweiten Spielzeit am Haus, hat sich die Witte in die Herzen der Krefelder und Mönchengladbacher gesungen und gespielt. Und da will bei einer großen Produktion wie dem Rosenkavalier niemand auf die Sopranistin verzichten, die für die Rolle der Sophie vorgesehen ist.

Der Rosenkavalier zählt noch über hundert Jahre nach seiner Uraufführung zu den beliebtesten Opern der Musikgeschichte, weil sein Libretto und seine Partitur auf so vielfältige Weise ‚gelesen‘ werden können“, formuliert Ulrike Aistleitner, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Arbeitsjubiläum am Theater Krefeld Mönchengladbach feiern kann. Neu gelesen hat Regisseurin Mascha Pörzgen das Werk und für die Krefelder Bühne inszeniert. Herausgekommen ist eine Ensembleleistung, die ohne weiteres auch auf den großen Bühnen dieser Welt Bestand hätte. Frank Fellmann hat Pörzgen bei Bühnenbild und Kostümen unterstützt. Und er kleckert nicht, er klotzt. Bühnenfüllende Verschiebewände wechseln mit großflächigen Prospekten, bieten ansprechende und großzügige Räume für detailfreudige und durchdachte Kostüme, prachtvoll ins rechte und abwechslungsreiche, immer stimmige Licht gesetzt. So entsteht eine großartige Kulisse, in der sich das Ensemble voll entfalten kann.

Vereinzelte Schwächen in der Personenführung werden durch glänzende Leistungen der Sängerinnen und Sänger ausgeglichen. Wenn etwa die Marschallin Lydia Easley im ersten Akt ewig herumsteht und allenfalls in die sitzende Position wechselt, hat sie ausreichend Gelegenheit, dem Publikum gefühlvolle Piani zu präsentieren, die bis ins Letzte durchmoduliert sind. Trotzdem wird die Paraderolle an diesem Abend von ihrem Liebhaber in den Schatten gestellt. Eva Maria Günschmann gibt einen Octavian, der das Publikum vom ersten Moment an begeistert. Es ist weniger die stimmliche Leistung, die sich über viele im Fach erhebt; es ist ihre Ausstrahlung, die sie von vielen Quinquins dieser Welt unterscheidet. Ihr zur Seite steht eine Sophie, die trotz vorangegangener Erkältung prachtvoll und in glasklarer, bewundernswerter Verständlichkeit intoniert, wenngleich nicht im gewohnten Volumen – und letztlich sorgt das Hüsteln der Faninal-Tochter auch noch für entspannende Heiterkeit. Ist der Ochs in anderen Inszenierungen gerne mal der grobe Klotz, singt ihn Matthias Wippich geradezu lyrisch und entdeckt neue Fassetten der Rolle. Ein Mann, so gefangen im Rollenbild seiner Zeit, dass er nicht versteht, was ihm geschieht. So muss es Strauss gemeint haben. In den übrigen Rollen adäquate Besetzungen, die den Abend aus Bühnensicht abrunden. Die chorischen Leistungen unter Leitung von Maria Benyuomova sind ebenso ordentlich wie das, was Susanne Seefing mit dem Kinderchor einstudiert hat.

Mihkel Kütson, Generalmusikdirektor des Theaters Krefeld Mönchengladbach, Leiter der Niederrheinischen Sinfoniker, unterstützt einen wunderbaren Spielzeiteinstand. Bei Strauss ist er zu Hause. Hie und da ein wenig Unausgeglichenheit in der Balance zwischen den Akteuren auf der Bühne und dem Orchester, bekommt das Publikum einen luciden, mal walzerseligen, mal dramatischen, mal lyrischen Rosenkavalier zu hören, der über mehr als vier Stunden zu fesseln vermag. Am Ende steht ein verschwitzter, aber glücklicher Dirigent auf der Bühne, dem das Publikum seine Dankbarkeit erweist.

So wie es mit den Füßen trampelt, „Bravo“-Rufe erschallen, als sich Günschmann, Witte und Wippich zeigen. Aber auch die übrigen Akteure wie auch das Leitungsteam empfangen warmherzigen und überschwänglichen Applaus. An diesem Abend hat es kaum jemand eilig, nach einer vierstündigen Aufführung nach Hause zu kommen. Dazu gibt es einfach zu viel zu feiern.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Matthias Stutte