Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

PEEKABO
(Marco Goecke)
GNAWA
(Nacho Duarto)
IN THE MIDDLE, SOMEWHAT ELEVATED
(William Forsythe)
10. Juli 2014
(Gastspiel)

Oper Köln, Oper am Dom


Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Mit Melone, Charme und goldenen Kirschen

Die Programmankündigung der Oper Köln lockt zum letzten Tanzgastspiel in der Saison mit der Brücken schlagenden Erkenntnis, dass „in Brasilien das Fußballfieber schwelgt“, die renommierteste zeitgenössische Tanzcompagnie Brasiliens aber bei uns im blauen Zelt zu Gast ist. Dass so manch ein Brasilianer seit der tränenreichen Schlappe gegen Deutschland sich dieser Tage vielleicht gerne in einen dunklen Zuschauerraum verkriechen würde, konnte bei der Programmierung der Spielzeit ja noch keiner ahnen. So kommen die Kölner in den Genuss der Stunde, das junge Exportgut zu erleben.

Drei Stücke haben sie im Gepäck. Zuerst: Peekaboo, ein 20minüter von Marco Goecke von 2013. Die acht Tänzerinnen und Tänzer tragen gerade geschnittene Hosen, sowie schwarze Mieder, übersäht mit Knöpfen. Einige Damen tragen hellblaue Korsagen, die Strumpfhalter baumeln nutzlos an den Oberteilen herab. Goecke zeichnet auch für Bühne und Kostüme verantwortlich. Das Licht von Uwe Haberland bescheint die Tänzer von oben herab in gleißend kaltem Ton. Zu Brittens Simple Symphonie startet der Abend im ersten Augenblick furios: Die Gruppe ist auf der Bühne versammelt, in der Mitte setzt ein Tänzer zu einem beeindruckenden Solo ein. Musik und die zackigen Armbewegungen machen Lust auf mehr. Thema der Choreographie ist das Verstecken und die Unsichtbarkeit, mit einem kindlich-spielerischen Anstrich. Die immer schneller sich verrenkenden Armchoreographien der Tänzer, der in sich gekehrte Blick, alles Elemente, die wenig einladend auf das Kölner Publikum wirken. Da helfen auch die netten Hüte nichts, die die Tänzer schwingen. Auch der über den Boden sausende Hut – Modell Pan Tau – lässt eher düstere Impressionen à la Dali aufkommen. Entsprechend verhalten der Applaus, so richtig etwas damit anfangen können die Kölner damit nichts.

Freudiger wird da Gnawa von Nacho Duarto empfangen. Das ebenfalls auf 20 Minuten ausgelegte Stück ist inspiriert von der „Natur Valencias, das Meer und die Sonne, die mediterranen Gerüche, Farben und Geschmäcker.“ Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Und während so manch ein Kölner hierin die ideale Tanzeinlage für die „lange Kölner Saunanacht“ mit Räucherstäbchen, mediterranen Windlichtern und marokkanischem Minztee sieht, folgt das Gros der Zuschauer den gefälligen schnellen Bewegungen mit Hingabe. Gnawa ist „eine rituelle und populäre Musikrichtung des Maghreb“, und diese Musik lässt arabisches Flair aufkommen. Bühne und Kostüm von Luis Devota und Modesta Lomba halten sich eher zurück: lange schwarze Kleider für die Damen, die Herren tragen helle Chinos. Technisch beeindruckend ist das Pas de Deux zwischen Ammanda Rosa und Nielson Souza: klar, präzise und fließend sind die schnellen Bewegungen.

Und dann hebt sich der Vorhang ein letztes Mal an diesem Abend. Mit einem Schlag ist helles Licht auf der Bühne, die Bässe wummern aus den Lautsprechern. Mit überspannten, überdrehten Gelenken steht das Ensemble auf der Bühne, die Damen tragen Spitzenschuhe. Flaschengrüne Lycra-Trikots, Strumpfhosen, wahrscheinlich 40 DEN. In the middle, somewhat elevated ist der beeindruckende Klassiker aus der Feder William Forsythes von 1987. In Thema und Variationen werden die Bewegungen der Klassischen Formensprache des Balletts überreizt. Der Wettbewerb um Virtuosität wird überspannt. Erst langsam, dann in immer mehr Schwindel erregendem Tempo weben, springen, drehen sich die Tänzer über die Bühne und treffen jeden gewünschten Akzent in der knackigen Musik von Thom Willems. Über ihnen die zwei goldenen Kirschen, die als Platzhalter für das üppige klassische Bühnenbild ironisch ihren Platz verteidigen. Wer wirklich etwas zu sagen hat, der braucht keine schmückenden, schützenden Attribute.

Genauso plötzlich, wie das letzte Stück anfing, endet es auch. Das Publikum ist glücklich, schließlich war für jeden was dabei. Alle drei Stücke haben ein hohes Tempo an den Tag gelegt. Die Geschwindigkeit der Bewegungsausführung ist rasant wie auf dem Fußballfeld: Die Spieler rennen in unglaublich hohem Tempo dem Ball hinterher. Wer da noch die Verlängerung durchhalten muss, ist arm dran, aber gut bezahlt. Verständlich, dass Tanzstücke da so kurz ausfallen und es keine Zugabe gibt. Adeus, São Paulo Companhia de dança…und danke!

Jasmina Schebesta

 

Fotos: Marcela Benvegnu,
Paula Caldas, Silvia Machado