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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
18. Mai 2014
(Premiere)

Oper Köln, Oper am Dom


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Oper für Oma

Eigenproduktionen scheinen seltener zu werden an der Oper Köln. So ist auch Giuseppe Verdis Otello, der an diesem Sonntagabend zur Premiere in Köln kommt, eine Übernahmeproduktion aus der Königlichen Oper Stockholm. Die Inszenierung von Johannes Schaaf ist die Antwort auf die Forderung zumeist älterer Herrschaften: „Wenn Oper noch mal richtig Oper wäre, so mit richtigen Kostümen und so, dann würde ich da auch noch mal hingehen.“

Eike Ecker fügt ihrer Neueinstudierung in Köln wohl keine neuen Impulse hinzu, und so bekommt das Publikum eine Aufführung zu sehen, die in Parma ohne Schwierigkeiten durchgegangen wäre. Die Bühne von Lennart Mörk wird für Köln von Christof Cremer adaptiert und ist in erster Linie Dekoration. Im ersten Bild wird ein Kanonenrohr als Bestandteil der Festungsmauer einer Hafenstadt auf Zypern auf das Publikum gerichtet. Ab dem zweiten Bild sind zwei Raumteiler in Kolonnadenform im Einsatz, einige mehr oder minder überflüssige Requisiten ergänzen das Bild, hin und wieder durchqueren Statisten die Szenerie. Im vierten Bild kommen das obligate Bett und ein hohes Madonnenstandbild hinzu. In dieser Deko-Kulisse bewegen sich die Akteure in mehr oder minder fantasievollen Kostümen, die keiner eindeutigen Epoche zuzuordnen sind, aber die Funktionen charakterisieren. Auch dafür ist Cremer zuständig. Das Licht besorgt Nicol Hungsberg mit einer Lichtfläche im Hintergrund der Bühne und sparsam eingesetzten Effekten. So steht beispielsweise Otello nahezu permanent im Verfolgerlicht. Das Ganze wirkt sehr stimmungsvoll.

Wo Handlung nur andeutungsweise stattfindet, haben die Sängerinnen und Sänger die Verantwortung. Viel Kondition braucht es dazu nicht, aber Können. Mit José Cura steht zwar kein dunkelhäutiger, dafür ein absolut überzeugender Otello auf der Bühne, der ohne Schwierigkeiten in der Lage ist, mit Mimik und strahlendem Tenor das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Höhepunkt des Abends ist aber sicher der Bösewicht. Samuel Youn versucht immerhin, den Jago auch schauspielerisch auf die Bühne zu bringen. Stimmlich fällt er in die Spitzenliga der Bassbaritone. Hochdifferenziert in allen Lagen, klingt Youn samtweich bis in die letzte Millisekunde einer Phrase. Er versteht es, selbst Hörern, die das Italienische nicht beherrschen, das Gefühl zu vermitteln, alles verstanden zu haben, was der Sänger zu sagen hat. Da kommt eine Anne Schwanewilms als Desdemona nicht hin, auch wenn sie mit kleiner Stimme viel Ausdruck vermitteln kann. In die Höhe geht es mit Anlauf. „Ich möchte Schauspiel singen“, ist ein bekanntes Zitat von ihr. Wenn sie darunter versteht, dass Bewegung zugunsten des Gesangs auf ein Minimum zu reduzieren ist, liefert sie hier ein Paradebeispiel ab. Die übrigen Rollen sind gut besetzt, lediglich Adriana Bastidas Gamboa fällt durch einen vergleichsweise metallisch-scharfen Ton auf, der zwischenzeitlich an die Callas erinnert.

Eindrucksvoll, so wie es sich für Verdi gehört, präsentieren sich Chor und Extra-Chor der Oper Köln sowie der Mädchenchor am Kölner Dom. Erstere hat Andrew Ollivant in gewohnter Weise brillant, letztere ebenfalls begeisternd Chris Sperling einstudiert.

Will Humburg setzt sich eindeutig ein Denkmal. Wie er mit Solisten, Chören und nebenbei auch noch mit dem Gürzenich-Orchester umgeht, dürfte unvergesslich bleiben. Unter vollem Körpereinsatz trägt er die Solisten auf Händen, lässt das Orchester filigran aufspielen und bringt en passant die Chöre auf Linie. Dabei vergisst er nicht, die großen Verdi-Momente in Szene zu setzen. So will man Verdi hören!

Sagt jedenfalls auch das Publikum im überhitzten Saal und bricht frühzeitig in brandenden Applaus aus. Viele bravi-Rufe wiegen die vereinzelten Buh-Rufe für die Inszenierungsmannschaft auf. Ob allerdings die, die sich die Vergangenheit zurückwünschen, unbedingt im Recht sind, mag offen bleiben.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Paul Leclaire