Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

REVELATIONS
(Alvin Ailey)
HOME
(Rennie Harris)
IN/SIDE
(Robert Battle)
16. Juli 2014
(Gastspiel)

Philharmonie Köln


Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Lebenslust, Menschlichkeit und House-Musik

Spielzeitpause – die Theater stehen leer und die Tournee- und Gastspieltruppen treten an, um die daheim gebliebenen Kulturhungrigen auch an lauen Sommerabenden in die klimatisierten Häuser zu locken. In ganz Köln wird schon seit Wochen kräftig plakatiert: Das augenfällige Bild vom muskulösen Tänzer in Aufsehen erhaschender Pose auf orangefarbenem Hintergrund klebt an den Knotenpunkten der Stadt. Alvin Ailey, das ist währenddessen ein zur Marke stilisierter Inbegriff für die Fusion von Jazz, Modern, afroamerikanischen und klassischen Tanzidiomen mit Unterhaltungswert. In Köln gastiert die Kompanie für knapp zwölf Tage, und die Philharmonie ist zur offiziellen Premiere nahezu voll besetzt. Das Publikum ist deutlich jünger und generationenübergreifend: Teens und Twens mit ihren Eltern, Onkeln, Tanten. Paare im mittleren Alter, die bereit sind, einen hohen Betrag für die besseren Sitzplätze hinzublättern. Die Erwartungshaltung wird bedient. Gleich zu Beginn wird in Grace von Choreograph Ronald K. Braun das ästhetische Wohlfühlprogramm durchgespült. Eine Tänzerin, in weiß gehüllt, betritt die Bühne. Zu Duke Ellingtons Come Sunday hebt sie an zum Gott preisenden spirituellen Tanz, vermischt moderne Tanzstile miteinander und markiert, wo am heutigen Abend der Körpermittelpunkt liegt: Tief unten, mit gebeugten Knien, erdverbunden und energetisch-rhythmisch verwurzelt. Ihr folgt die Kompanie und führt diese Energie fort. In weiß und rot gehüllt, Omatoya Wunmi Olaiya zeichnet hierfür verantwortlich. Die Musik wechselt, und dort, wo der Zuschauer eventuell schon eine inhaltliche Brücke schlagen wollte zum weltberühmten Revelations aus Aileys Feder, überfluten markige House-Beats die Bühne und lassen die Tänzer im hier und heute ankommen. Die rhythmischen Bewegungen und die laute Musik bilden eine Einheit. Die physische Präsenz der Truppe ist beeindruckend. Das Thema der Choreographie bleibt dahinter zurück.

Als nächstes folgt Home vom Hip Hop-Choregraphen Rennie Harris. In Sneakern und Streetwear von Kostümbildner Jon Taylor, stehen die Tänzer zusammen und wabern auf der Stelle. In ihrer Mitte erhebt sich ein Tänzer und reckt die Hände empor. Er klatscht in die Hände, doch die Aufmerksamkeit wird ihm versagt. Aus dem Programmheft erfährt man, dass hier Leben und Kampf mit AIDS thematisiert wird. Die Gruppe löst sich auf, und im Disco-tauglichen Lichtdesign von Stephen Arnold rocken die Tänzer die Bühne. Dieses Stück könnte auch ganz wo anders verortet werden.

Das Solo In/Side choreographiert vom künstlerischen Leiter der Kompanie, Robert Battle, setzt ernstere Akzente. Der Tänzer Kirven Douthit-Boyd trägt nur eine Unterhose und lässt tiefe und intime Emotionen zu Nina Simones Ballade Wild is the Wind entstehen.

Der Abend schließt mit Ailey Revelations von 1960. Die Kompanie präsentiert sich auf hohem technischem Niveau, und Südstaatenflair wird heraufbeschworen. Revelations gilt als ein Höhepunkt des Jazztanzes: Zu traditionellen Spirituals wird in drei Teilen der Glaube gepriesen, die menschlichen Leiden und Sorgen thematisiert und das Zusammensein gefeiert. In weißen langen Röcken und Hosen von Lawrence Maldonado und in der Neuproduktion von Ves Harper fegen die Tänzer über die Bühne. Aileys choreographische Handschrift ist beeindruckend klar und verständlich. Auch wenn Revelations ein altes Stück Tanzgeschichte darstellt – hier muss nichts entstaubt werden.

Das Publikum ist an diesem Abend von der Show begeistert und mit stehenden Ovationen bedankt es sich bei den Tänzern. Diese wiederholen den letzten Teil Rocka My Soul aus Revelations, und die Menschen klatschen euphorisch mit.

Jasmina Schebesta

Fotos: Paul Kolnik