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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
18. September 2014
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


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„Glücklich ist, wer vergisst …“

Sie gilt als Gipfelpunkt der klassischen Operette, wird auch immer wieder als die Königin der Operette bezeichnet und zählt zu den populärsten und am häufigsten aufgeführten Werken dieses Genres: Die Fledermaus von Johann Strauss. Sie ist ein Kunstwerk von hohen Graden dank der glänzenden, bruchlos gleichmäßigen Hochqualität der Erfindung und Gestaltung, aber auch im besten Sinne ein Unterhaltungsstück für jedermann. Also eigentlich eine sichere Bank, möchte man meinen.

Nicht so am Stadttheater Klagenfurt, denn da gelingt es Olivier Tambosi mit seiner Inszenierung dieser Meisteroperette zur heurigen Saisoneröffnung, einen gewaltigen Bauchfleck hinzulegen. Dabei kennt man den Regisseur am Haus eigentlich recht gut, denn er hat bis 2007 immerhin 16 Mal am Haus inszeniert, und man weiß, dass man von ihm immer Ungewöhnliches, Neues, Provokantes und vor allem viel Action zu erwarten hat, wobei die einzelnen Produktionen durchwachsen und unterschiedlichster Qualität waren.

„Könnt‘s ihr a bissel ruhiger sein“: Im breitesten Kärntner Dialekt beschwert sich der Gefängnisdiener Frosch, der von Karl Sibelius, dem designierten Intendanten von Trier mit Kärntner Wurzeln, recht überzeugend gespielt wird, mitten im zuerst verwirrten Publikum sitzend, über die Unruhe vor dem letzten Bild. Dann drängt er sich zwischen den Reihen durch und begrüßt alle Zuschauer als Insassen seines Gefängnisses bevor er zur riesigen, zwischen den Porträts ehemaliger Bundespräsidenten hängenden Gefängnisuhr auf der Bühne emporschwebt: Eine Szene symptomatisch für den gesamten Abend. Denn da gibt es von Beginn an kaum Stillstand. Da dreht sich die Drehbühne unentwegt, während die sichtbaren Bühnenarbeiter im Hintergrund ständig Requisiten her- und wegräumen. Da wird unentwegt aus dem Zuschauerraum aufgetreten. Da sprudeln die Ideen scheinbar unerschöpflich aus dem Regisseur nur so heraus. Er erfindet noch selbst eine Reihe weiterer Gags und viel neuen, mehr oder minder witzigen, aktuellen Text dazu.

Die Geschichte ist auch irgendwo im heutigen einfachen Milieu einer Vorstadt angesiedelt. Die Eisensteins wohnen im Schrebergarten zwischen Gartenzwergen, Mistkübeln und Einkaufswagen. Beim Prinzen Orlofsky macht man zügellos Party, amüsiert sich um jeden Preis mit leicht bekleideten Mädchen und Burschen. Und trotzdem hat man seltsamerweise viel zu wenig zu lachen. Tambosi inszeniert nicht konsequent und nimmt der Meisteroperette jeglichen Charme: Viele der Einfälle und Slapsticks wirken billig und überzogen, während andererseits die wirklich guten Witze des Stückes zu wenig zur Geltung kommen. Faszinierend, aber nicht neu sind hingegen die schräg von oben herunterhängenden, beweglichen Spiegelflächen, das Bühnenbild stammt von Kaspar Zwimpfer, die die Gesellschaft in den verschiedensten Perspektiven zeigen sollen.

Durchschnittlich spielt und singt das Ensemble: So ist Jörg Schneider ein optisch gewichtiger Eisenstein mit hellem, kleinen Tenor ohne jegliche Eleganz, in extrem wienerischem Dialekt. Klein ist auch die Stimme von Christiane Boesiger als vulgär gezeichnete Rosalinde, die auch als Peitschen schwingende Domina auftritt. Teresa Sedlmair verfügt als Adele über einen federleichten Sopran. Allan Evans als Gefängnisdirektor Frank, der als nicht erklärbare Einlage den „Bundesbahn-Blues“ singt, ist nur solide. Thomas Tischler stottert sich gekonnt, aber wenig zeitgemäß, als Advokat Dr. Blind im kärntnerischen Dialekt durch den Abend. Stimmlich eindeutig auf der Habenseite sind Stefan Zenkl als Dr. Falke mit weich timbriertem Bariton wie auch Ilker Arcayürek mit viel Schmelz als Sänger Alfred und Katerina Hebelkova als Prinz Orlofsky mit Krone und schönem Mezzo. Achtbar singt der auch schauspielerisch stark geforderte Chor, der von Günter Wallner einstudiert wurde und in sehr fantasievolle Kostüme von Carla Caminati gesteckt ist.

Sehr akkurat, exakt und sauber, mit viel zu straffen Tempi, frei von Walzerseligkeit erlebt man das Kärntner Sinfonieorchester unter Alexander Soddy. Was fehlt, sind der wienerische Charme, die Leichtigkeit, Spritzigkeit und agogische Nachgiebigkeit speziell bei den Walzern.

Zum Schluss gibt es maximal höflichen Applaus ohne hörbaren Widerspruch, aber auch schon einige leere Plätze nach der Pause. Frei nach der Fledermaus: Glücklich ist, wer das vergisst …

Helmut Christian Mayer

Fotos: Aljoša Rebolj