Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LES DIALOGUES DES CARMÉLITES
(Francis Poulenc)
4. März 2015
(Premiere am 12. Februar 2015)

Stadttheater Klagenfurt


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Grausamer, finaler Todestanz

Salve Regina: Aus einem Loch am Boden herauskriechend, zuerst ängstlich und zögerlich, dann immer selbstbewusster, lauter und schließlich vollen Mutes singen die verurteilten Nonnen in grauen Büßergewändern im Angesicht des Todes diesen finalen Choral. Plötzlich hört man und dann immer wieder die vom Komponisten selbst in der Partitur notierte Guillotine im Namen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit messerscharf, geräuschvoll und unerbittlich herabsausen, bis die letzte Stimme verstummt ist. So grausam und so bewegend eindringlich lässt Francis Poulenc seine 1957 uraufgeführte Oper Les Dialogues des Carmélites, für die er auch nach dem Filmdrehbauch von Georges Bernano das Libretto schrieb, enden. Es ist die historisch verbürgte Geschichte von Ordensnonnen, die 1794 während der französischen Revolution für ihren Glauben ihr Leben lassen mussten.
Richard Brunel braucht für diese beklemmende Schlussszene kein sichtbares Schafott, um die Hinrichtung der frommen Schwestern zu zeigen. Auf einem kalten, eisernen Podest wird jeweils punktgenau zum Rasseln des Fallbeils einer nach der anderen von den schon lauernden Revoluzzern ein Sack über den Kopf gezogen, worauf sie blitzartig zu Boden stürzen. Eine atemberaubende Realisierung!

Um die kontrastreiche Gegenüberstellung von Kloster und Welt, Revolution und Religion, Gebet und Terror zu zeigen, lässt der Brunel diese in der Gegenwart in einfachen Alltagskleidern von Axel Aust spielen und benötigt auch sonst kaum Requisiten. Auf der leeren, weißen Einheitsbühne, die Anouk dell’Aiera kreiert hat, lassen verschiebbare Wände immer wieder neue Räume entstehen und werden auch für die Szenenwechsel geschickt eingesetzt. Und Brunel hat über das Libretto hinaus noch viele weitere, neue Ideen, die er reich einsetzt, wenn etwa der Chevalier zum Finale des ersten Teils effektvoll auf offener Bühne ermordet wird oder die neue Priorin von den Nonnen selbst gewählt wird. Seine Personenführung ist immer ausgefeilt. Damit und mit raffiniert eingesetztem Licht und riesigen Schatten schafft er eindrucksvolle Bilder und Effekte. Zum Schluss werden noch die Porträts der hingerichteten Nonnen gezeigt.

Laura Tatulescu spielt und singt die von unzähligen Phobien, selbst von der Angst vor der Angst geplagte Blanche, die im Kloster der Karmeliterinnen Zuflucht sucht, mit sanfter Reinheit, aber auch eindringlich und expressiv. Ihre mutige Kollegin als Novizin ist Evgeniya Sotnikova, eine stimmlich sehr bewegliche, junge Constance. Marianne Eklöf zeigt als Priorin des Klosters einen darstellerisch und stimmlich ergreifenden Todeskampf. Heidi Brunner ist eine Mére Marie mit reifem Timbre, und Betsy Horne als Madame Lidoine, die neue Priorin, singt eindrucksvoll. Herausragend aus dem Ensemble sind noch Ilker Arcayürek als kultivierter Bruder von Blanche, Chevalier de la Force, und Kristian Paul als ihr mächtig tönender Vater Marquis de la Force sowie der schönstimmige Markus Franke als Beichtvater. Faszinierend in Spiel und Gesang ist auch der Chor des Hauses zu erleben, der von Günter Wallner einstudiert wurde.

Alexander Soddy ist ein exzellenter Sachwalter von Poulencs feingliedriger, stets tonaler Partitur, dessen persönliche, innere Betroffenheit in dem Werk allgegenwärtig ist. Da wird vom Kärntner Sinfonieorchester die geheimnisvolle, meist verhaltene, teils dramatische, aber auch explosive Stimmung ungemein feinfühlig, austariert, detailverliebt, schillernd, farbenprächtig und expressiv musiziert.

So ist in dem eher kleinen Haus eine packende Aufführung auf höchstem Niveau zu erleben, die im ausverkauften Theater vom Publikum mit Riesenjubel bedacht wird.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Jean-Luiz Fernandez