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Fakten zur Aufführung 

CAVALLERIA RUSTICANA
(Pietro Mascagni)
I PAGLIACCI
(Ruggero Leoncavallo)
25. Oktober 2014
(Premiere)

Stadttheater Klagenfurt


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Illusionen und Träume des Verismo

Beide Opern gelten heute als künstlerisch gelungener Beweis für den musikalischen Realismus, den Verismo. Jene in der wirklichen Welt der einfachen, oft bäuerlichen Menschen spielende Geschichten über Liebe, Hass, Eifersucht mit den blutvollen, populären Melodien liegen nicht nur zum Zeitpunkt der Uraufführung, sondern auch heute noch ganz oben in der Publikumsgunst.

Diesen Vorgaben folgt jedoch Marco Štorman in seiner Inszenierung in keinster Weise. Denn er schafft bei Cavalleria rusticana von Pietro Mascagni und seinem untrennbaren, siamesischen Zwilling Pagliacci von Ruggero Leoncavallo am Stadttheater Klagenfurt eine glitzernde Kunstwelt, wo Illusionen vorherrschen, wo sich jeder verstellt, wo nichts so ist, wie es scheint, wo Realität und Traum verschmelzen. Er lässt beide ähnlichen Geschichten in einem Theater im Theater, einer Art Varieté spielen, was sich beim Bajazzo auf Grund der Handlung von selbst ergibt, sich jedoch bei der Cavalleria rusticana nicht erschließen lässt. Denn Santuzza sitzt ständig vor dem Vorhang auf einem Theaterstuhl und beobachtet das Geschehen, das auf einer Theaterbühne, von Dominik Steinmann erdacht, und vor einem ständig silbern glitzernden Flittervorhang und mit dunklen, einigen Lichtpunkten angedeuteten Häusern spielt. Eine Traumsequenz? Dann greift sie immer wieder in die Handlung ein. Zudem lässt Štorman den musikalisch immer wieder außer Tritt geratenden Chor, der von Günter Wallner einstudiert wurde, immer en bloc, als Teil des Bildes fast bewegungslos frontal zum Publikum dastehen und entgeht so selbst der Gefahr, ihn führen zu müssen. Ebenso ist den Protagonisten, ebenfalls meist mit Blick ins Publikum, beinahe jede Geste und jedes Spiel untersagt, wobei ihnen einmal sogar marionettenhafte Bewegungen aufoktroyiert werden, was leider auf Kosten der Emotionen geht und teils in lähmende Statik mündet. Zudem wird vielen, an sich vitalen Momenten, wie etwa der fröhlichen Szene des Weintrinkens nach der Kirche, die in die Forderung zum Duell aus Cavalleria rusticana mündet, völlig die Dramatik genommen. Im Bajazzo wird auch beim eigentlichen Theaterstück völlig umständlich mit Notenständern hantiert. Zu reizvollen Momenten führt hingegen immer wieder die Idee, alle Protagonisten zeitweise von gleich bekleideten Kindern, die fantasievollen Kostüme stammen von Sara Schwartz, zu doubeln.

La commedia è finita: Mit unverschämtem, zynischen Grinsen, hoch erhobenen Hauptes und selbstischer nach vorne zu Bühnenrand schreitend, schmettert Tonio diese letzten Worte triumphierend ins Publikum. Dabei erstarrt nicht nur das Publikum, sondern auch die Szene komplett: Nedda im Sterben halb liegend. Canio, dem normalerweise diese Worte in den Mund gelegt sind, mit dem Messer ausholend bereit zum zweiten Mord gegen seinen Nebenbuhler Silvio, und auch der Chor. Es ist ein starkes Schlussbild, in dem der hässliche Tonio als omnipräsenter und dämonischer Strippenzieher, ein teuflischer Traumlenker nicht nur während der Kurzoper, sondern den gesamten Abend im Mittelpunkt steht.

Dazu hat er in Csaba Szegedi einen ungemein bühnenpräsenten Darsteller, der zudem über einen kernigen, kraftvollen Bariton verfügt, der aber auch zu wunderbar weichen Tönen fähig ist. Wie man überhaupt bei dieser Neuproduktion der Opern bei den engagierten Stimmen unwillkürlich ins Schwärmen gerät: Denn Mary Elizabeth Williams verfügt als Santuzza über einen riesigen Sopran, kann aber mit inniger mezza voce und berührender Phrasierung punkten. Ricardo Tamura singt sowohl den Turiddu wie auch den Canio mit ausgesprochen schönem, schmelzigem, kräftigem Tenor und verfügt über schöne Höhen. Erst gegen Ende treten bei ihm deutliche Ermüdungserscheinungen auf. Leider muss er seine Paradearie Lache, Bajazzo im dunklen Anzug unbeweglich sitzend singen, in der er sich eigentlich schminkend in Bajazzo verwandeln sollte. Guanqun Yu verfügt als Nedda über einen ausnehmend schönen, flexiblen Sopran. Anna Werle ist eine kokette und ebenfalls sehr schönstimmige Lola ebenso wie Andrea Borghini als Liebhaber Silvio. Solide erlebt man Ilker Arcayürek als Peppe wie auch Eibe Möhlmann als Mutter Lucia.

Obwohl es zeitweise an Übereinstimmung zwischen Bühne und Graben und an Intonation bei den Holzbläsern fehlt, vermag Alexander Soddy im Kärntner Sinfonieorchester viel Leidenschaft zu zünden: So lässt er es besonders, aber nicht nur in den Intermezzi und in der Schlussszene schillern und funkeln und an subtilen, berührenden, aber auch packenden Emotionen nicht fehlen.

Zum Schluss gibt es den starken Jubel eines begeisterten Publikums, das dankbar dafür ist, dass man das Werk nach langer Zeit wieder einmal am Haus erleben darf. Beim Erscheinen des Leitungsteams hört man auch einige ganz schüchterne Buh-Rufe.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Aljoša Rebolj